Die Schmetterlinge der Annedore Policek
19.07.2016
Wenn
man
seinen
alten
Wohnsitz
verlässt,
um
sich
an
einem
anderen
Ort
noch
einmal
wohnlich
und
endgültig
einzurichten,
hat
man
bestimmte
Erwartungen,
Vorstellungen
und
Wünsche.
Vielleicht
auch
so
etwas
wie
Ängste.
Mir
ging
das
nicht
viel
anders,
als
ich
vor
knapp
zwei
Jahren
mein
Kopfkissen
um
zweihundertfünfzig
Kilometer
an
den
Harz
verlegt
habe.
Mich
würde
dort
niemand
kennen
und
mich,
den
Unbekannten,
würde
niemand
beachten,
dachte
ich.
Ich
hatte,
ehrlich
gesagt,
auch
gar
nicht
den
Ehrgeiz,
so
schnell
wie
möglich
einen
neuen
Freundeskreis
haben
zu
wollen.
Ich
wollte
Ruhe,
meine
Selbständigkeit
verarbeiten
und
hinter
mir
lassen.
An
so
etwas
wie
Freunde
habe
ich
keinen
Gedanken
verschwendet.
Die
neuen
Zeiten
haben
mich
wählerisch
werden
lassen.
Dass
ich
ausgerechnet
einer
Bildenden
Künstlerin,
und
nicht
etwa
einem
Musiker,
mein
Vertrauen
schenken
würde,
habe
ich
einem
Zufall
zu
verdanken.
Ein
Musiker
hat
allerdings,
wenn
auch
ungewollt, den Anstoß gegeben. Dafür bin ich Warnfried Altmann ein Jahr später sehr dankbar.
ANNEDORE
POLICEK
wohnt
am
Stadtrand,
wo
die
Schienen
der
Straßenbahn
eine
Schleife
bilden
und
alle
aussteigen,
die
in
einer
ehemaligen
Kaserne
leben
müssen,
weil
in
ihrer
Heimat
Krieg
und
Not
der
Normalzustand
sind.
Im
öffentlichen
Sprachgebrauch
nennt
man
sie
Flüchtlinge
und
schließt
dabei
alle
Ankömmlinge
einfach
aus.
Das
ist
offizielle
Sprach-
und
Willkommenskultur, also nicht wundern, wenn das Volks sie einfach übernimmt.
An
dieser
Haltestelle
steigt
auch
sie
oft
aus,
um
den
schmalen
Weg
in
die
kleine
Siedlung
am
Hügel
bis
zu
ihrem
Haus,
versteckt
in
zweiter
Reihe,
zu
laufen.
Parken
kann
man
hier
nicht,
der
Weg
ist
zu
schmal.
Das
Gefährt
bleibt
am
Feldrain
stehen,
wo
die
Ähren
zu
reifen
beginnen
und
der
Blick
hinüber
zur
Heimstatt
der
Neuankömmlinge
reicht,
die
es
bis
zu
einem normalen Leben noch weit haben. Im doppelten Sinne des Wortes.
ANNEDORE
POLICEK
lebt
seit
vielen
Jahren
im
Grünen.
Hinter
der
schlichten
Gartentür
werden
Gäste
von
viel
Natur
empfangen.
Was
wie
Gestrüpp,
wie
eine
dichte
Hecke
für
Dornröschen
aussieht,
ist
in
Wirklichkeit
eine
der
Natur
überbelassene
Idylle
voll
Harmonie
und
wilder
Schönheit.
Ein
kleines
Glück,
von
wuchernden
Pflanzen
und
Blütenvielfalt,
nur
ein
wenig
von
Menschenhand
gelenkt.
Es
fühlt
sich
an,
als
hätten
Ruhe
und
Frieden
Gestalt
bekommen.
Und
doch
verstecken
sich
dahinter
auch
Sorgen,
wie
das
Gespräch
bald
zeigen
wird.
Frei
von
Sorgen
leben,
so
scheint
es
mir,
ist
auf
dieser Welt immer seltener zu finden, seitdem die Mauern gefallen sind und geliebte Feinde sich verkrümelt haben.
Während
die
Künstlerin
Kaffee
und
Kuchen
bereit
stellt,
darf
Lily
durch
Haus,
Wohnung
und
im
Garten
schnüffeln,
ganz
frei
und
ohne
jegliche
Einschränkungen.
Ich
folge
ihr
dorthin
bis
zu
einem
großen
bunten
Etwas,
dessen
Blütengebilde
wie
Kolben
in
Lila
aussehen.
Überall,
wo
die
Kolben
sind,
sitzen
bunte
Schmetterlinge.
So
viele
auf
ein
Mal,
habe
ich
noch
nie
gesehen
und
als
ich
mein
Staunen
in
Worte
fasse,
erfahre
ich,
dass
dies
Schmetterlingsflieder
sei.
Das
hätte
selbst
ein
Laie
sehen
können,
nur
mir
ist
die
Ähnlichkeit
nicht
aufgefallen
und
wenn
so
viele
Schmetterlinge
darauf
sitzen
…
eben.
Doch
Vorsicht, diese Schönheit ist auch ein wenig giftig, wie so manch andere auch!
Wir
sitzen
in
einer
schattigen
Ecke
bei
Kaffee
und
Kuchen,
die
Schmetterlinge
feiern
derweil
eine
Party
auf
den
Blüten.
Es
ist
ein
ständiges
Flattern
und
Landen,
ein
eindruckvolles
Schauspiel.
Und
plötzlich
denke
ich
an
das
Ausstellungsobjekt,
das
hinter
dem
Taufstein
aufgehängt
war.
Ein
überdimensionaler
Schmetterling
war
Teil
der
Vernissage
in
der
Stadtkirche
und
auf
dem
Plakat
war
das
Tierchen
auch
zu
sehen.
Die
Inspiration
dafür
fand
die
Künstlerin
in
ihrem
Garten
und
der
birgt
eine
Vielfalt
von
Formen
und
Farben,
die
zu
kreativen
Umgang
anregen.
Zudem
taucht
die
Nachmittagssonne
diese
Szenerie
in
ein
Spiel
von
Licht
und
Schatten,
von
scharfen
Konturen
und
fließenden
Übergangen.
Ich
fühle
mich
frei
und
weit
entfernt
von
all
den
Dingen,
die
über
uns
im
Stundentakt
medial
ausgeschüttet
werden.
Die
Zeit
scheint
in
diesem
Garten
relativ
zu
sein,
nur
auf
die
vier
Jahreszeiten
beschränkt,
könnte
man
meinen.
Doch
der
Schein
trügt,
denn
die
Idylle
ist
brüchig
geworden,
weil
die
technische
Normen
und
bizarren
Regeln
das
Objekt
der
Begierde
darin
entdeckt
haben.
Ganz
allmählich
sucht man sich neue Feinde und die Kluft, die man Schere nennt, bricht jeden Tag ein Stück weiter auseinander.
Aus
dem
hinteren
Bereich
des
Gartens
leuchtet
der
„gelbe
Blitz“
durch
das
Unterholz.
Er
lockt
uns
zu
einem
Besuch
dorthin,
wo
das
Atelier
der
Künstlerin
zu
finden
ist.
Eine
felsige
Abbruchkante
auf
der
einen
und
zwei
schlichte
Holzhäuschen
auf
der
anderen
Seite,
grenzen
den
eigentlichen
Arbeitsbereich
ein.
Es
scheint,
als
hätte
sich
die
Natur
hier
ganz
bewusst
darauf
eingelassen,
einer
Künstlerin
Raum
und
Möglichkeit
zum
Gestalten
zu
geben
und
doch
ist
jedes
Stück
willkürlich
an
seinen
Platz
gelangt.
Skulpturen,
die
einst
in
Ausstellungen
zu
bewundern
waren,
lehnen
sich
an
alte
Baumstämme
und
in
einem
Strauch
hat
es
sich
eine
ausgediente
Farbpalette
gemütlich
gemacht.
Der
„gelbe
Blitz“
steht
wie
ein
Wächter
an
der
Kante,
die
mehrere
Meter
steil
nach
unten
fällt.
Das
Idyll
im
vorderen
Bereich
des
Gartens
und
ein
spontane
Paradies
bilden
das
Lebensumfeld
von
ANNEDORE
POLICEK.
Fast
möchte
man
meinen,
die
Natur
hätte
sich
auch
die
passende
Künstlerin
erwählt.
Doch
der
schönste
Platz,
voller
wunderbarer
Geheimnisse
und
zauberhafter
Verstecke,
ist
der
kleine
Raum
im
Häuschen.
Hier
regiert
die
Vielfalt
von
Farben,
Formen,
Chaos
und
Unvollendeten,
das
Reich
von
Ideen
und
Eingebungen
der
Künstlerin,
die
komprimierten
Eindrücke
eines
langen
Lebens.
Heute
bin
ich
zum
zweiten
Mal
hier
und
sofort
wieder
fasziniert,
was
auf
so
wenig
Platz
zu
bestaunen
ist
und
scheinbar
sinnlos
herumzustehen
scheint:
Farbtöpfe,
Tuben,
und
Pinsel
en
masse,
eine
Staffelei,
Stifte
und
Gläser,
Messer
und
Scheren
und
überall
an
den
Wänden
Skizzen,
Zeichnungen
und
Kunstobjekte.
Je
länger
ich
sehe,
desto
größer
die
Vielfalt
und
erstaunlicher
die
Entdeckungen.
Sogar
in
einem
alten
Transistorradio ist eine bunte bizarre Lebenswelt neu entstanden. Es haut einen schlichtweg um!
ANNEDORE
POLICEK
spricht
über
ihre
aktuellen
Arbeiten,
zeigt
die
kleinen
Statuen,
die
farbig
oder
in
schwarz
weiß
zu
bestaunen
sind,
wenn
ihre
Hände
sie
bearbeitet
haben.
Einige
davon
stehen
auf
dem
Fensterbrett
und
auf
einem
kleinen
Tischchen.
Eine
besonders
große
Arbeit
fällt
sofort
ins
Auge,
wenn
man
eintritt.
Feuerrote
Farben
scheinen
wie
wild
zu
toben,
zu
lodern
und
aus
dem
Rahmen
greifen
zu
wollen.
Diese,
noch
unvollendete,
Arbeit
strahlt
förmlich
Hitze
aus
und
erst
beim
näheren
Betrachten
fallen
die
dünnen
dunklen
Strukturen
auf,
die
das
Rot
verdeckt.
Und
erzählt
sie
von
der
Erfahrung,
die
zu
diesem
Werk
geführt
hat.
Danach
weiß
ich
wieder
einmal,
dass
„schön“
nicht
wirklich
ein
Begriff
der
Ästhetik sein kann.
Es
ist
Abend
geworden,
als
wir
zurück
zum
Kaffeetisch
kommen,
um
die
Tassen
und
Teller
abräumen.
Stünde
die
Sonne
nicht
schon
tiefer,
käme
ich
nicht
auf
die
Idee,
dass
Zeit
vergangen
wäre.
Wenn
man
in
Gesprächen
spürt,
dass
Gedanken
und
Empfinden
ähnlich
ticken,
bleibt
das
Vergängliche
für
eine
Weile
vor
der
Tür
und
wartet.
Schaut
man
der
Künstlerin
in
ihr
lächelndes
Gesicht,
glaubt
man,
dass
sich
die
Zeit
hier
öfter
selbst
zu
verbummeln
scheint.
Dieses
Lächeln
gibt
sie
weiter
und
ihre
stille
Heiterkeit,
die
man
in
ihrer
Kunst
entdecken
kann,
auch.
Grund
genug,
sie
bald
wieder
zu
besuchen,
auch
wenn
Schmetterlinge
dann
vielleicht
nicht
mehr
tanzen
werden.
Dann
entdecken
wir
gemeinsam
vielleicht
anderes,
etwas
neues oder außergewöhnliches, und vergessen dabei wieder die Zeit.
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.