Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Nur mal so in den Wald ( oder: Der Weg ist das Ziel ) 09.09.2018 Eigentlich wollten wir an diesem Sonntagnachmittag „nur mal so in den Wald“, um ein wenig Stille und Ablenkung zu finden. Die Idee, nach Rübeland zu fahren und uns auf der anderen Seite endlich diesen Stempel mit der Nummer 89 ins Heft zu drücken, habe ich schnell verworfen. Ich hatte keine Lust auf steile Hänge, auf Schritt für Schritt nach oben zu steigen und zu schwitzen. Einfach nur mal so in den Wald und spazieren gehen, das war unsere Absicht. Also entschieden wir uns dafür, entlang der Bode, von Wendefurt aus, ein wenig zu wandern. Vielleicht könnte man noch zur Stempelstelle Schöneburg mit der Nummer 63, auch wenn die etwas erhöht zu liegen schien. Das kann ja nicht weit sein, dachte ich, und dann wandern wir wieder zurück. Das würde vielleicht zwei Stunden dauern, dachte ich auch, und zum Abschluss essen wir dann an der Talsperre in Wendefurt ein Fischbrötchen. Was ich wieder völlig außen vor gelassen hatte, war das Profil der Harzwanderwege, das eine Karte nicht anzeigt und die außerdem Entfernungen ein wenig verfälscht. Wir starteten ahnungslos und endeten atemlos. Auf dem kleinen Parkplatz zur Wendefurt Talsperre eine Nische zu finden, ist an diesem Sonntag ein Glücksspiel. Es funktioniert nur, wenn einer wegfährt. Letztlich kommt das Auto direkt am Waldrand in einer Lücke zum Stehen. Wir schultern den Rücksack, leinen unsere Hundelady an und überqueren die Bundesstraße 81. Auf der anderen Seite beginnt der Bodeweg, auf dem man das kleine Harzflüsschen bis nach Thale begleiten kann, wenn man möchte. Die Route ist gleichzeitig Teil des Hexenstieges und von Wendefurt bis Thale rund zwanzig Kilometer lang. Alle Fotos auf dieser Seite kann man durch Anklicken vergrößern. Der Weg führt uns in das Tal hinein und an ein paar schmucken Häuschen vorbei. Das allerletzte, ehe uns der Wald verschlingt, ist ein echtes Hexenhäuschen mit einem kleinen Stall. Das Märchen ist also doch wahr, denke ich und folge Lily, die schon voraus läuft. Wir wandern entlang der Bode, die träge in ihrem Flussbett plätschert. Auf der anderen Seite steigen die Hänge und Felswände bald steil nach oben und manchmal kommt von dort ein kleines Rinnsal herunter. Die Bode windet sich durch das Tal und bietet nach jedem Schritt neue faszinierende Blicke auf das in der Sonne glitzernde Wasser. Darin liegen manchmal Felsbrocken wie kleine Inseln, die Äste hoher Bäume neigen sich bis zum Wasser, in dem sich das gegenüberliegende Ufer spiegelt. Nach einen guten halben Stunde gelangen wir an ein Wehr. Einem schillernden Teppich gleich gleitet das Flüsschen darüber und fließt dann behäbig weiter. Wenig später erreichen wir eine Wanderhütte. Dahinter führt ein Weg nach oben. Schöneburg ist auf einem Schild zu lesen. Nach einer kurzen Rast dann unser Entschluss, dort hinauf zu gehen, statt bis zur Brücke und dann am anderen Ufer wieder zurück. Wir möchten uns nun doch den Stempel holen. So weit kann das, laut Karte, nicht mehr sein, denke ich, und dann beginnt ein langsames Leiden, von dem ich jetzt noch nichts ahne. Es läuft sich gut auf weichem Gras und Lily scheint auch vergnügt zu sein. Sie sprintet zwischen uns hin und her. Auf diese Weise gewinnen wir bald Höhe und sind wenig später auf einem Plateau mit wunderschöner Sicht über die Hügel, die in allen herbstfarben angemalt scheinen. Hier lädt auch eine Bank zur Rast ein, doch wir entschließen uns, weiter zu gehen. Es kann jetzt nicht mehr weit sein, denke ich, was sich bald als Trugschluss erweist. Schnell erobern wir die nächste kleine Anhöhe und befinden uns plötzlich im Laubwald, der zu beiden Seiten ins Tal abfällt. Die uns entgegen kommen, sagen etwas von etwa dreihundert Metern, die noch zu laufen wären. Dass es jetzt erst richtig steil noch oben gehen wird, höre ich schon nicht mehr. Mich lockt die Aussicht auf eine schönen Ausblick und so folge ich dem Pfad nach oben. Mir folgen Lily und ihr Frauchen. Je höher wir kommen, desto schmaler wird dieser Pfad und der windet sich, Serpentinen gleich, an steinigen Hängen immer höher und höher. Wir müssen gar über einen dicken Baumstamm, der den Pfad versperrt, hinwegsteigen. Inzwischen bin ich völlig verschwitzt und die Hoffnung wächst, die Stempelstelle möge bald erreicht sein. Der Pfad führt noch immer steil in die Höhe, doch plötzlich lichtet sich das Gestrüpp im Unterholz, kein Blätterdach versperrt uns die Sicht in den blauen Himmel und mit den letzten Schritten weitet sich für die Augen der Blick. Wir haben nach einer Stunde unser Ziel erreicht und stehen auf dem Aussichtspunkt Schöneburg mit der Stempelstelle 63 in der Hütte. Auf dem, von der Bode in einer Schleife umflossenen Felsrücken, soll einstmals eine Burganlage hoch über dem Tal gestanden haben. Das auf 441 gelegene Oval ist einst künstlich eingeebnet und bebaut worden. Den Grundriss der Anlage könnte man heute noch im felsigen Untergrund erkennen. Von der Burg ist allerdings nichts mehr zu bestaunen. Was den Wanderer 130 Meter über das Bodetal lockt, ist diese malerisch schöne Aussicht bis Treseburg und darüber hinaus. Dafür lohnt sich die Mühe, wie ich selbst jetzt erleben kann. Wir sind nicht die einzigen, die auf dem Hexenstieg „nur mal so in den Wald“ wollten. Jetzt stehen wir und staunen. Unten, wie in einem Spielzeugland, sind die Häuser von Altenbrak zu sehen, die sich an der Bode und entlang der Straße aufreihen. Der Ort schlängelt sich, wie die Windungen der Bode, im Tal entlang, an dessen Ende man Treseburg erahnen kann. Dort wendet sich das Flüsschen nach links und erreicht nach knapp zehn Kilometern Thale. Es ist faszinierend, über die bewaldeten Berghänge zu schauen, die in herbstlicher Farbenvielfalt prahlen und mit den Augen dem Fluss zu folgen, der sich dazwischen tief eingegraben hat. Ein wunderschöner Anblick, für den es gelohnt hat, sich zu bemühen und zu überwinden. In der Schutzhütte bekommen die Wanderhefte einen neuen Stempel, wir tragen uns in das „Gipfelbuch“ ein und Lily bekommt frisches Wasser. Noch einige Augenblicke diese Aussicht genießen, ehe wir dem Pfad weiter folgen, dem Ausgangsort zu. Wir folgen dem Weg, auf den die anderen uns entgegen kamen. Der führt eine ganze Weile direkt auf dem Grat des Berghanges entlang. Steigt man nur wenige Meter hinauf, kann man zu beiden Seiten in die Täler blicken. Diesmal geht es nur gemächlich wieder abwärts und irgendwann, auf gleicher Höhe, laufen wir nur noch durch Mischwald, in dem der Herbst längst all seine Farben verteilt hat. Manchmal finden sich am Wegesrand alte knorrige Äste, die uns wie Fabelwesen anmuten. Wenn man sich etwas Zeit lässt, kann man hinter jedem Baum oder Strauch den Zauber und den Reichtum der wunderbaren Natur entdecken. Erst als wir wieder die Bundesstraße, am Abzweig zur Rappbodetalsperre, erreichen finden wir auch Müll und Abfall, den Menschen hier zurückgelassen haben. Da schäme ich mich für diese bequemen Idioten und könnte wütend werden. Ich dachte immer, unsere Spezies wäre der Gipfel der Evolution. Es muss wohl einen Seitenzweig der Entwicklung gegeben haben, der es ebenfalls bis in die Gegenwart geschafft hat. Solche Schmutzfinken! Kein Grund also zur Freude oder stolz darauf zu sein! Lily unter den Arm geklemmt, überqueren wir die gefährliche Straßenecke und gehen zum Parkplatz auf der anderen Seite, um die Fortsetzung des Weges zu finden. Dieser letzte Abschnitt führt oberhalb vom Stausee Wendefurt bis hinunter zum Ort, hoffe ich. Zunächst noch ganz gemächlich geradeaus, biegt der Pfad plötzlich nach rechts in Richtung Straße und ziemlich steil ab. Unter Aufbietung unserer letzten Kraftreserven meistern wir, einschließlich Lily, auch dieses steile Wegstück unfallfrei. Danach merke ich, wie mein Knochengerüst, insbesondere die Hüfte, auf Streikmodus umschaltet. Als endlich die ersten Häuser durch den Wald zu sehen sind, bin ich froh, dass der „Spaziergang“ langsam endet. Hinter dem Gasthaus „Zum Fischer“ verlassen wir beinahe dort den Wald, wo wir vier Stunden zuvor aus dem Auto gestiegen sind. Wir beschließen, uns ein leckeres Fischbrötchen verdient zu haben. Wenige Minuten später liegen ein saurer Hering mit Gurkenscheiben und ein Bratfisch, appetitlich in Brötchen verpackt, vor uns auf den Tellern. Dazu ein kühles großes Radler und für Lily eine Schale mit Wasser. Da ich mit einem halben Teiggebäck zufrieden bin, teile ich mit der Hundelady. Wir sitzen im Freien in einer Sitzgruppe, lassen uns das Spätstück schmecken und können nun auch darüber lachen, was aus einem Spaziergang, nur mal so in den Wald, schließlich geworden ist: Zehn Kilometer in vier Stunden mit 150 Metern hoch auf die Schöneburg - und eine neue Idee für einen Spaziergang im Wald gibt es auch schon: Böser Kleef.
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.