Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Weiße Ziege und weißer Blues mit Engerling
21.11.1979
Blues,
das
ist
eine
musikalische
Ausdrucksform
vor
allem
der
Schwarzen
in
den
USA,
hat
man
uns
beigebracht.
Der
„Weiße
Mann“
hat
dieses
Blues-Gefühl
nicht,
sagte
man
auch.
Zuerst
habe
ich
das
geglaubt
und
später
gefragt,
wie
ich
dann
Musiker
wie
John
Mayall,
Eric
Clapton
oder
Joe
Cocker
einzuordnen
hätte.
Dabei
musste
ich
gar
nicht
so
weit
in
die
Ferne
denken,
denn
ich
hatte
damals
schon
im
benachbarten
Zobersdorf
Monokel
oder
Passat
gesehen
und
im
Radio
Musik
von
Jürgen
Kerth
gehört.
Wenig
später
auch
das
Lied
von
einer
„Weißen
Ziege“,
das
ein
gewisser
Wolfram
Bodag
geschrieben
hatte.
Der
machte
das
zwar
nicht
in
der
Ur-Sprache
des
Blues,
als
in
englisch,
aber
so
ein
satter
und
schnodderiger
Berliner
Unterton
hat
eben
auch
das
Flair,
dem
Mann
auf
der
Straße,
gleich
ob
in
der
Stadt
oder
auf
dem
Land,
auf
sein
Maul
geschaut
zu
haben
und
deshalb
von
ihm
verstanden
zu
werden.
Genau
dies,
so
denke
ich,
will
diese
besondere
Art
von
Musik
auch
erreichen
und
dann
muss
es
wohl
auch
Blues
sein,
wenn
das
Taktmass
stimmt
und
der Boogie stampft.
ENGERLING
ist
das
Synonym,
das
diese
Art
von
Blues
aus
der
Metropole
Berlin
auf
den
Punkt
bringt
und
„Boddi“
Bodag
gelingt
das
mit
eben
dieser,
seiner
Band
seit
1975.
Nichts
für
Puristen,
dafür
aber
für
Liebhaber
deutscher
Ton-
und
Wortkunst
der
besonderen
Art.
Der
ENGERLING-Blues
ist
natürlich
der
Tradition
und
dem
12-Takte-Muster
verbunden,
saugt
Boogie-Woogie
sowie
Rhythm’n’Blues
und
immer
mal
wieder
moderne
Spielarten
auf
oder
„vergreift“
sich
an
Klassikern,
die
danach
den
Blues
erkennen
lassen.
Wie
der
„Cadillac“
von
den
aus
Birmingham
stammenden
britischen
RENEGADES,
ein
Kleinod,
das
ich
eigentlich
als
Beat-Nummer
aus
den
wilden
1960ern
kenne.
Durch
die
Spielweise
von
ENGERLING
aber
wird
das
Boogie-Woogie-Gerüst
hörbar
und
wer
das
Stück
mal
live
gehört
hat,
wird
fasziniert
sein.
So
wie
bei
diesem
Song,
ist
die
eigene
ikonische
Stilistik
von
ENGERLING
auch
bei
allen
anderen
Liedern
sofort
wieder
erkennbar. Daran hat sich über die Jahrzehnte bis heute nichts geändert.
Mir
drang
dieser
Blues
so
ungefähr
1976/77
über
das
Radio
zu
Ohren.
Das
war
ein
Stück
mit
dem
Titel
„Mama
Wilson“
und
hatte
sich
bei
mir
eingenistet.
BODDI
erzählt
darin
die
Geschichte
von
Alan
Wilson
und
tat
es
auf
seine
eigene
Art.
ENGERLING
wurde
zu
einem
Bestandteil
des
Blues-Booms,
der
damals
grassierte.
Damit
traf
dieser
Song
auch
mich
mit
voller
Breitseite,
denn
die
Geschichte
von
Alan
Wilson
symbolisierte
die
Träume
und
die
Sehnsüchte
vieler
hierzulande
und
die
amerikanische
Band
Canned
Heat,
deren
Symbolfigur
Al
Wilson
war,
hatte
mit
„On
The
Road
Again“
völlig
ungewollt
so
etwas
die
Tramper-Hymne
der
„Kunden“
im
kleinen
Land
DDR
geschrieben.
Die
pilgerten
damals
eben
zu
Jürgen
Kerth,
Monokel,
Freygang,
zu
Diestelmann
und
eben
auch
zu
ENGERLING,
um
sich
dieses
Feeling
zu
holen,
während
sie
der
Blues-Musik
ihrer
heimischen
Idole
lauschten.
Da
störte
es
auch
nicht,
dass
Musiker
wie
Kerth,
Diestelmann
und
„Boddi“
ihre
Blues-Geschichten
in
deutsche
Worte
packten.
Im
Gegenteil,
dadurch
erst
wurden
sie
authentisch und nachvollziehbar.
Im
Jahre
1979
brachte
Amiga
die
erste
LP
von
ENGERLING
in
die
Plattenläden
und
kein
geringerer
als
der
damals
kürzlich
verstorbene
Werner
„Josh“
Sellhorn
schrieb
den
Begleittext
für
das
Vinyl.
Das
war
der
Punkt
auf
das
„i“
gesetzt.
In
mir
reifte
der
Wunsch,
die
Band
für
unsere
Konzerte
zu
verpflichten.
Noch
im
gleichen
Jahr,
am
21.
November
1979,
standen
die
ENGERLINGE
bei
ROCK-MIX
6
auf
der
Bühne
des
Kulturhauses
in
Plessa.
Das
waren
neben
WOLFRAM
„Boddi“
BODAG
an
den
Tasten
und
natürlich
als
Sänger,
vor
allem
BERND
„Kuhle“
KÜHNERET
sowie
HEINER
WITTE,
beide
Gitarristen
der
Band.
JENS
SALEH
zupfte
die
Bass-Saiten
und
RAINER
„Lello“
LOJEWSKI
hinter
dem
Schlagzeug
gab dem Blues den richtigen Drive.
Live
spielte
die
Band
in
jenen
Tagen
nahezu
nur
eigene
Songs,
die
auch
auf
zwei
Amiga-Singles
bzw.
auf
ihrer
Debut-LP
veröffentlicht
waren.
Letztere
war
quasi
das
das
gesamte
Live-Programm
auf
dem
Studioumweg
in
Vinyl
gepresst.
Allen
voran
„Mama
Wilson
(gute
alte
Ma)“,
bei
dem
sich
„Boddi“
selbst
in
die
Geschichte
singen
und
denken
konnte,
als
hätte
er
Al
Wilson
selbst
und
persönlich
getroffen.
Wie
gut
Blues
und
deutsche
Sprache
passen,
wird
erst
live
richtig
spür-
und
hörbar,
wenn
„Boddi“
sich
in
seine
Texte
„hineinknien“
kann
und
so
einem
Song
wie
„Da
hilft
kein
Jammern“
sein
quirlendes
Leben
einhaucht
und
beide
Gitarren
dazu
ruppig
die
Saiten
„schreien“
lassen
können,
so
als
würde
mit
Willie
Dixon,
einer
der
Vorbilder,
mit
ihnen
auf
der
Bühne
jammen.
Ich
glaube,
diese
Blues-Twin-Guitars
waren
damals
schon
etwas ganz besonderes.
Einer
meiner
absoluten
Lieblingssongs,
„Der
Zug
oder
die
weiße
Ziege“,
lebte
an
jenem
Abend
genau
von
diesen
beiden
Gitarren,
die
sich
schon
beim
Intro
in
den
Song
fressen
und
jammern,
während
Boddi’s
Piano-Stakkota
den
Zug-
Rhythmus
vorgab.
So
stampfend
war
das
Spiel
der
Gitarren
und
des
Pianos
einer
meiner
Konzerthöhepunkte.
Das
mag
sicher
auch
daran
liegen,
dass
hier
„Boddi“
als
Texter
ein
genialer
Wurf
geglückt
ist,
die
Entscheidung
zwischen
seiner
„weißen
Ziege“,
gemeint
ist
sein
weißer
Drahtesel,
und
einer
Dampflok
als
Gleichnis
für
eine
Mädchenentscheidung
zwischen
zwei
Männern,
dem
Lockführer
und
einem
Radfahrer,
zu
finden.
Da
sage
mal
einer,
deutscher
Blues
könne
nicht
tiefgründig
sein!
So
sang
sich
der
Mann
am
Piano
eben
seinen
Schmerz
über
das
verlorene
Weib
live
aus
der
Seele.
Auch
beim
„Moll
Blues“
merkte
man
ihm
und
seiner
Band
an,
wie
sie
sich
in
die
Geschichte
versetzen,
die
eigenen Emotionen fließen und den Fans Raum zum Nachdenken lassen.
Ähnlich
gleichnishaft
ist
der
Text
zum
„Blues
vom
Roten
Hahn“
gemeint,
in
dem
der
Blues
-
Mann
die
Unterstützung
für
einen
in
Berlin
abgebrannten
Blues-Club
besingt.
Dessen
Wiederaufbau,
sowohl
im
Song
als
auch
durch
reale
Konzerte
der
Berliner
Szene,
hatte
die
Band
damals
unterstützt:
„
Hier
habt
ihr
die
Moneten,
legt
sie
gut.“
Live
war
die
Band
schon
immer
ein
besonderes
Erlebnis,
gleich
ob
mit
zwei
Blues-Gitarren,
wie
bei
uns
im
Konzert
in
Plessa,
oder
später
beispielsweise
auch
mit
Saxophon.
Die
Berliner
ENGERLINGE
waren
stets
unverwechselbar
und
strotzten
vor
Spielfreude.
Bodag
am
Piano
sitzend
und
singend,
meist
mit
geschlossenen
Augen
und
in
der
Musik
versunken,
flankiert
von
zwei
rockenden
Gitarren
und
einem
treibenden
Rhythmus
von
Bass
und
Drums
–
das
hatte
schon
damals
den
besonderen
Kick
und
die
Jungs,
die
zu
diesen
Konzerten
pilgerten,
nahmen
den
Rhythmus
von
der
Bühne
auf.
So
war
es auch im Kulturhaus Plessa.
Neben
den
eigenen
Sachen
gab’s
an
diesem
Abend
natürlich
auch
die
internationalen
Klassiker,
jene
Musik
von
den
Allman
Brothers,
die
sicher
so
manche
Blues-Inspiration
für
die
Zwillings-Gitarren
lieferten.
Ebenso
den
einen
und
anderen
Song
vom
Altmeister
Van
Morrison,
der
schon
in
den
70ern
Kultstatus
hatte
und
natürlich
auch
Klänge
der
„Rollenden Steine“, mit deren Musik ENGERLING Jahre später eine ganze CD bespielen sollten.
ENGERLING
live
lebte,
und
lebt
auch
heute
noch,
ausschließlich
von
ihrer
Musik.
So
etwas
wie
„Show“
oder
besondere
Effekte
habe
ich
bei
ihnen
nie
erlebt.
Damals
nicht
und
auch
nicht
heute.
Dies
ist
ein
Eindruck,
der
sich
bei
mir
über
die
Jahrzehnte
gehalten
und
gefestigt
hat
und
immer,
wenn
ich
Boddi
irgendwo
traf,
gleich
ob
in
Finsterwalde
oder
Weinböhla,
war
er
noch
immer
der
gleiche
Kumpel
und
Blues-Mann,
so
wie
sein
Manager
Gerd
Leiser
auch.
Nur
die
Haare
sind
inzwischen
grau,
den
meinen
vergleichbar,
doch
der
Herzrhythmus
klopft
und
pumpt
noch
immer
den
Blues
durch
das
Blut,
so
wie
sie
ihn
damals
in
den
riesigen
Sall
vom
Kulturhaus
Plessa
jagten.
Ein
von
allen
Musikern
signiertes Plattencover und einige Fotos erinnern mich noch heute an diesen schönen Abend.