Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
TAGESREISE & MEERESFAHRT – LIFT im Konzert 1977 Der Gnade meiner frühen Geburt geschuldet, war es mir vergönnt, viele der heutigen Ostrock-Größen schon zu einer Zeit beim Tanz oder im Konzert live zu erleben, als die Eltern mancher Leser gerade begannen, sich füreinander zu interessieren oder sich möglicherweise noch nicht einmal kannten. So dicht liegen „Vor- und Nachteile“ manchmal beieinander! Das Konzert, um das es hier geht, fand am 26. Oktober 1977 im Elterwerdaer Gesellschaftshaus Hoppenz statt. Gemeinsam mit Freunden konnte ich damals dieses und andere Konzerte organisieren. Konzipiert war das Meist als eine Konzertreihe. Diesmal stand über drei Konzerten eine inhaltliche Idee: KLASSIK, ROCK & ADAPTIONEN. Im Oktober hatten wir LIFT auf dem Plan, einen Monat später dann ELECTRA, beide aus Dresden, und als krönenden Abschluss sollte im Dezember BAYON aus Weimar ein Konzert geben. Für dieses Dreierpaket hatten wir extra, vorbei an gesetzlichen Regelungen, eine Anrechtskarte drucken lassen, um die hässlichen Karten von der Rolle nicht benutzen zu müssen. Ja, wir haben damals schon versucht, so etwas wie Stil zu entwickeln! Werbeflyer der Band unsere Anrechtskarte Autogrammkarte 1977 Lift Der W50 von LIFT fuhr nachmittags am Bühneneingang vor. Danach fanden sich auch die Musiker ein. Gerhard Zachar und Henry Pacholski sind mir als ruhige und bescheidene Kumpels in Erinnerung geblieben. Ebenso Till Patzer, ein Musikant mit Haut und Haaren sowie von Anfang an dabei. Wolfgang Scheffler schien mir der in der Musik versunkene Perfektionist zu sein, während Michael Heubach schon mal einen flotten Spruch auf den Lippen hatte. Werther Lohse und alle anderen Bandmitglieder gaben sich wie Kumpels von nebenan. Entsprechend angenehm war der Umgang vor und nach dem Konzert, eines von denen, das ich von Beginn an sehr entspannt genießen konnte. LIFT spielte damals schon fast ausschließlich nur eigenes Material. Natürlich erklangen die heute noch berühmten Gänsehaut-Balladen wie „Jeden Abend“, „Komm her“ und „Abendstunde, stille Stunde“. Die beiden Keyboard- Spezialisten Heubach und Scheffler glänzten mit Bearbeitungen von Rick Wakeman’s „The Six Wives Of Henry VIII.“, eine Platte, die damals unter Fans Kultstatus innehatte. Es war schon erstaunlich, mit welcher Perfektion die beiden Keyboarder „Jane Seymour/Anne Boleyn“ aus den Tasten von Orgel, e-Piano, Mellotron und Synthesizer zauberten. Etwa in der Konzertmitte kündigte Zachar ein eigenes 16-Minuten-Opus an, das damals noch keinen Namen hatte. Später gab es der zweiten Amiga-Platte „Meeresfahrt“ den Titelsong. Die Live-Fassung war ungemein filigran, dennoch kräftig und ausdrucksstark, so ist mir die Interpretation im Gedächtnis haften geblieben. Ein knappes Jahr später, während der Tour durch Polen hat Henry Pacholski die „Meeresfahrt“ gesungen, weil Lohse krankheitsbedingt pausieren musste und dann bei der Stern Combo Meissen auftauchte. Als Geste an die Gastgeber sang Pacholski sogar in polnischer Sprache. Einen Mitschnitt von diesem Ereignis hat damals auch DT64 gesendet. Glücklich, wer damals mit seinem Bandgerät am Radio saß und die Aufnahmetaste drückte. Das Originalband lagert sicher unantastbar in irgendwelchen Archiven des Rundfunks. Unter Fans kursierte dieser Mitschnitt. Der Schreiberling besitzt auch so einen. Die Band spielte sich während des Konzerts die Seele aus dem Leib. Micha Heubach und „Scheffi“ brillierten an den Tasten und hatten sichtlich Freude daran, während ein von sanft bis entfesselt singender Pacholski der Bandseele ein Gesicht geben konnte. Die von ihm gesungenen Stücke empfand ich als die Perlen des Abends: „Und es schuf der Mensch die Erde“ oder „Jeden Abend“. Einer der großen Momente war die Live-Version von Heubach’s „Tagesreise“, die er für die Bürkholz Formation komponiert hatte, mit der Horst-Krüger-Band den Weg auf’s Vinyl fand und nun mit LIFT zu neuen und kraftvollen Ehren kam. Die beiden unterschiedlichen Sänger, Pacholski und Lohse (hinter der Schießbude), machten e i n e Besonderheit von LIFT aus. Die stand damals ohne Zweifel vor ihrem absoluten Höhepunkt und in einem Guss auf der Bühne. Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, ganz zum Schluss gab uns Werther Lohse den Gary Brooker und schickte uns mit den Klängen von „A Whiter Shade Of Pale“ nach Hause. Ein unvergesslicher Konzertabend ging vor mehr als 45 Jahren war zu Ende. Das komplette Konzert hat damals mein „Russischer Freund“ (Tonbandgerät Jupiter) mitgeschnitten. Jahre später bin ich umgezogen und dieser Mitschnitt ist auf der Strecke geblieben. Manchmal trennt man sich vom falschen „Kram“. Im Jahre 1978 wurde die LP „Meeresfahrt“ veröffentlicht. Auf ihrer Tour durch Polen verunglückten Henry Pacholski und Gerhard Zachar bei einem Autounfall tödlich. Danach war die Zeitrechnung für LIFT eine andere.