Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Über Stock und Stein zur Wolfswarte 28.06.2021 Der Harz ist schön! Fast alle wissen von der Roßtrappe, vom Hexentanzplatz, der Talsperre mit der langen Hängebrücke und vom Brocken sowieso. Den erklimmt man von Schierke, von Torfhaus her oder man besteigt ihn durch das Tal der Ilse. Im Winter werden der Wurmberg bei Braunlage und die Pisten bei Torfhaus gestürmt. Dann herrscht da oben das blanke Chaos, wie ich selbst, damals noch unwissend, erleben durfte. Besonders an den Wochenenden und während der Schulferien. Doch wenn man die Natur im Harz erleben möchte, sollte man unbekannte Wege wählen und Orte entdecken, wo keine Buden zum Konsumieren einladen. Dann ist man allein unterwegs, genießt die Ruhe der Wälder und Wiesen und ganz oft auch einen fantastischen Blick über die Höhen bis weit in die Ebene. Kaum ein Moment könnte schöner und erhebender sein. Dann spürt man, der Harz ist schön. Dieses Gefühl möchte ich mir heute wieder einmal gönnen. Es ist Montag, die Sonne scheint und alles deutet auf einen herrlichen Tag hin. Bis nach Torfhaus braucht der Benzinesel eine Dreiviertelstunde. Da oben biege ich nach Altenau ab und finde recht bald, links am Waldrand, den kleinen Parkplatz zur Wolfswarte. Mehr als fünf Blechkarossen finden dort nicht Platz, eine steht schon hier. Man kann den Sendemast des NDR in Torfhaus sehen und auch das Brockenplateau blinzelt durch die Baumwipfel herüber. Von hier aus soll es durch den dichten Wald zur Wolfswarte gehen, sagt die Karte. Rucksack geschultert, den Wanderstab in die Hand und los. Nahe am Gipfel vom Bruchberg befindet sich auf einer baumlosen Kuppe die Wolfswarte. Im Grunde ist es ein verwitterter Steinhaufen aus Quarzit, reichlich 900 Metern hoch und damit die dritthöchste Erhebung im Harz, nach dem Wurmberg. Ein Blick auf die Karte zeigt einen schnurgeraden Waldweg von der Straße bis zur Wolfswarte. Den Höhenunterschied, den man auf einem reichlichen Kilometer erklimmen muss, sieht man da nicht. Diese „Kleinigkeit“ werden wir schon bald zu spüren bekommen. Der Einstieg in den Waldweg ist ein schmaler Trampelpfad. Die Äste kleiner Bäume streichen links und rechts die Schultern. Gleich wird eine der Brockenhexen aus dem Dickicht treten, denke ich, doch nur kahle abgebrochene Baumriesen säumen stattdessen die ersten Schritte in den dichten dunklen Wald. Bald schon wird aus dem Pfad ein steiniges Rinnsal, das von oben herab plätschert. Die Füße suchen Halt und trockene Stellen auf den Steinen. Man muss aufpassen und darf nicht daneben treten, wenn man nicht ausrutschen will. Die Luft ist schwülwarm, der Schweiß rinnt und ein Schwarm Fliegen hat sich zur Begleitung hinzu gesellt. Nichts davon war der Karte zu entnehmen, aber egal, jetzt gibt es kein zurück mehr. Mir kommt es so vor, als winde sich der Steinpfad, über Stock und Stein sowie an Bäumen vorbei, wie durch einen Märchenwald. Ich stolpere an sonnigen kleinen Lichtungen vorbei, entdecke am Waldrand das kleine Wurzelhäuschen von Rinderich und weiter oben sogar das Mooshügelhaus von Glöckchen und Tröpfchen. Leider ist niemand zu Hause und auf mein Rufen antwortet niemand. Vielleicht gut so, denn ich schnaufe inzwischen wie ein altes Dampfross, schwitze wie in der Sauna und mein Anblick ist sicher auch keine Augenweide. Der steinige Waldpfad kennt keine Gnade und windet sich weiter steil den Berg hinauf, inzwischen fast schnurgerade. Von oben kommen uns, über Stock und Stein, zwei Radfahrer mit ihren Mountainbikes entgegen. Ich weiß nicht, ob ich staunen oder es sogar Leichtsinn nennen soll. Für meine Hüfte ist es Glück, meinen Wanderstab dabei zu haben. Ich brauch ’ne Pause. Auf der Grasnarbe am Waldesrand sitzend, verspeise ich einen Apfel, während zwei Herren in meinem Alter an uns vorüber schnaufen. Es wird ein wenig gewitzelt, gelacht und gegenseitig Erinnerungsfotos geknipst. Dann wird weiter geschnauft, gestolpert und geschwitzt. Immer noch führt der Steinpfad in die Höhe, wo irgendwo am Ende das Blau des Himmels zu winken scheint. Ich mobilisiere jetzt meine Energiereserven, immer weiter und weiter, über Stock und Stein, dem ersehnten Ziel entgegen. Dann endlich öffnet sich der schmale Steinpfad wie von Zauberhand und gibt den Blick auf den Himmel frei. Wir sind angekommen, haben die Wolfswarte erreicht und sind glücklich, den inneren Schweinehund ein weiteres Mal bezwungen zu haben. Das erste, was ich sehe, ist ein gewaltiger Geröll- und Felshaufen und das zweite ein riesiger Schwarm lästiger Flieger, der überall herum schwirrt. Erst dann kann ich mich der gigantischen Aussicht in diese vor mir liegende Weite widmen. Ich bin gerührt, staune und fühle mich tatsächlich beschenkt, einen solchen Augenblick in mich aufsaugen zu können. Es fühlt sich an, wie auf dem „kleinen Bruder“ vom Brocken zu stehen und die eigene Winzigkeit zu spüren. Niemand hat einen Kiosk hingestellt oder ein Geländer hierher gebaut. Nur der Stempelkasten Nr. 135, mit Graffiti „verziert“, steht allein am Rande des Waldes. Alles andere ist nackter Stein, viel Natur pur sowie ausgedehnte Waldhänge so weit die Augen sehen können. Faszinierend – der Harz ist schön! Eine Freundin schrieb mir: „Kannst du nicht wie der Adler fliegen, klettre nur Schritt für Schritt bergan, wer mit Mühe den Gipfel gewann, hat auch die Welt zu Füßen liegen.“ (Victor Blüthgen) Natürlich muss ich auf die Gesteinsblöcke steigen und vom äußersten Rand in die Weite staunen. Ich sehe Altenau und ahne den Kräutergarten (der Bienenvölker). Ein Teil vom Okerstausee ist hinter den Bergen ist zu sehen, in Richtung Süd-Westen, ca. fünfzehn Kilometer Luftlinie entfernt, einige Häuser von Claustal-Zellerfeld. Direkt unter mir ein Haufen Geröll und danach nichts als Wald und der schaut, zu meinem Erstaunen, ziemlich grün und gesund aus. Erst jetzt merke ich, dass ich etwas wacklig auf meinen Beinen stehe. Setzen, Vesper und etwas Kraft tanken, während eine Gruppe junger Leute mit ihren e-Bikes ankommt und die Felskante in Beschlag nimmt. Wieder jung müsste man sein, träume ich, aber dann würde ich sicher nicht die Natur so intensiv erleben und genießen können, wie ich es inzwischen als Rock-Rentner zu tun pflege. Nein, ich beneide sie nicht und gleich gar nicht um diese unsichere Zukunft, die sie meistern müssen. Aber daran denken sie nicht, während sie die Wolfswarte wieder verlassen, unter mir in den dichten Wald eintauchen und die „Wilde Sau Hütte“ ansteuern. Auf der Wolfswarte weht ein feines frisches Lüftchen. Aus dem Stempelkasten drücken wir Nummer 135 in unsere Wanderhefte und beschließen, statt noch zur „Altenauer Schutzhütte“ zu gehen, wieder langsam den Rückweg zu wählen, meiner Hüfte zuliebe. Die kann den Aufstieg, mag aber den Abstieg nach unten überhaupt nicht. Ich weiß, dass ich mehr Zeit und meinen Wanderstock brauchen werde. Schon nach wenigen Schritten habe ich den Eindruck, einen völlig anderen Weg zu laufen. Musste ich bergan ständig in den dichten Hexenwald und auf den schmalen Pfad dazwischen schauen, schaue ich jetzt am schnurgeraden Pfad entlang abwärts und sehe sogar das Tal am Ende schimmern. So macht das Wandern, sogar über Stock und Stein, Freude und erst sehr weit unten, wieder mit den Schuhen im Rinnsal, meldet sich meine Hüfte. Doch sind es nur noch wenige Minuten bis zur Straße und schon bald sehe ich den Sendemast und den Brocken wieder. Mit dem Erklimmen der Wolfswarte konnte ich mir endlich einen Wanderwunsch erfüllen. Der Gipfel war diese Mühe wert und ich sah “die Welt zu (meinen) Füßen liegen“. Wieder einen neuen Flecken abseits der Hotspots erobert und die Erkenntnis gestärkt: der Harz ist schön!