Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Das „Sanfte Gelb“ der Rapsfelder 21.05.2021 Am Dorfrand von Sargstedt am Huy, etwas oberhalb der Rapsfelder, steht eine Bank am Feldrain. Dort sitze ich, blicke über die gelben Rapsfelder sowie die Ebene bis hinüber zum Harz. Diesen Augenblick genießend, fließt mir eine alte Weise aus meiner Jugend durch die Gehörgänge: „They call me mellow yellow“ und eine Stimme flüstert leise „Quite rightly“. Da hat es tatsächlich 55 Jahre gedauert, um das Gefühl dieses Songs von Donovan von 1966 bildhaft vor Augen zu haben. Vor mir wiegt sich „Sanftes Gelb“ der Rapsfelder im Wind, der mir den Welthit „Mellow Yellow“ aus meiner Vergangenheit herüber weht. Vor sieben Jahren fuhr ich hierher, um im Gebiet zwischen Huy und Harz, zwischen Blankenburg und Halberstadt, eine neue Wohnung zu finden. Es war Mai 2014 und überall am Straßenrand fuhr ich an quittegelb blühenden Rapsfeldern vorüber. Dieses Bild hat mich nicht mehr losgelassen. Irgendwann, so hatte ich mir vorgenommen, will ich durch die Felder laufen und diese Farbenpracht aus der Nähe in mich aufsaugen. Heute ist irgendwann. Statt das Viktorianische Picknick in Leipzig zu besuchen, sitze ich auf der Bank am Dorfrand und sehe in die Ferne. Das Gothic Picknick entfiel wegen Corona, aber dem Raps kann Corvid nichts anhaben. Die frische Luft ist voller Düfte und das Auge kann sich nicht satt sehen. Also erhebe ich mich wieder und folge dem Weg in die Felder hinein. Links wächst Raps den Hang hinauf, rechts wächst Raps bis zum nächsten Feldweg hinab. Viele Kilometer weiter ragen die Türme von Halberstadt aus der Ebene und dahinter Spiegelsberge, der Hoppelberg von Langenstein und noch weiter Burg Regenstein nahe Blankenburg. Es sind atemberaubende Blicke auf ein herrliches Panorama. Alle zehn Meter ergibt sich eine neue Perspektive, alle zehn Meter verharre ich, staune und knipse über das „Sanfte Gelb“ hinweg oder direkt darauf. Es ist faszinierend und schön. Natürlich weiß ich, dass der Song vom „Sanften Gelb“ rein gar nichts mit der Natur und den Raps im Feld zu tun hat. Die alte simple Melodie passt trotzdem. Sie fügt meine unbeschwerte Jugend mit den Erfahrungen von 70 Jahre Leben zu einem neuen Bild: gelber Raps, sattes Grün und die Leichtigkeit der Ferne. Die Ruhe und der Wind ergänzen dieses Gefühl, vervollständigen die Eindrücke. Inmitten dieser natürlichen Weite stolpere ich, der kleine Mensch, über den Feldweg und kann von den simplen Dingen gerade nicht genug bekommen. Das einzige, was mir wirklich fehlt, ist meine Hundedame Lily. Da wird mir plötzlich schwer ums Herz und hinter dem Hang ziehen dunklere Wolken auf. „Ein Leben ohne Hund ist möglich“, hatte Johannes Rau gesagt, „aber sinnlos.“ Heute weiß ich, dass er auf sehr emotionale Weise Recht hat. In der Überspitzung liegt die Wahrheit verborgen und einen Hund als gleichwertigen treuen Partner gehabt zu haben, ist ein besonderes Privileg. Lily fehlt mir schmerzlich, in Momenten wie diesen spüre ich das deutlich und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Der Gang am quittegelben Feld entlang beruhigt mich wieder. Mir ist bewusst, dass es ein Privileg ist, mit über 70 Lenzen als lebendiger Erdenbürger mein Dasein ohne große Sorgen genießen zu dürfen. Noch dazu in so einer wunderschönen Landschaft, in der Konsumzwang und mediale Aufforderungen, endlich Urlaub buchen zu dürfen, weit weg sind. Ich schaue über das blühende Gelb und vergesse all den Unsinn, mit dem man zugeballert und überschüttet wird. Hier vergesse ich die Gesichter zufrieden und selbstherrlich dreinblickender Berufspolitiker sowie deren bedeutungsfreie Sprechblasen Zwischen den Rapsfeldern gibt es zum Glück keine Masten, von deren Höhen uns Wahlplakate anschreien. Das Gelb vom Raps ist einfach Natur und Balsam für Leib und Seele. Solche und andere Gedanken werde ich hier los, lasse sie vom Wind in die Ferne wehen. Am Ende des Feldes sind meine Batterien wieder gefüllt und eine Wolke gelber Blütenblätter schwebt in der Luft vor mir. Hier bin ich frei und stolz. Als ich zurück komme und wieder an der Bank angelangt bin, sitzt dort ein Pärchen beim Kaffee mit Kuchen. Das Leben kann so schön sein, man muss sich nur aus seinem häuslichen Kokon befreien und den Weg um die Ecke ins Freie wagen. Nächstes Jahr am Pfingstfreitag werde ich erneut versuchen, beim Viktorianischen Picknick als Gast dabei zu sein. Den Rapsfeldern der Ebene werde ich schon in den nächsten Tagen einen weiteren Besuch abstatten. Dann schickt mir der Wind eine andere Weise über die Felder, die vom „Yellow Submarine“ oder „Big Yellow Taxi“ vielleicht.