Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Scharfensteinklippen statt Kaffeeklatsch                                                                        07.07.2017 Es ist mir schon wieder passiert! Auf der Suche nach einem Wanderziel, das wir noch nicht eroberten, bin ich nahe Wernigerode fündig geworden. Auf der Karte konnte ich einen kleinen Punkt entdecken und daneben die Bezeichnung Scharfenstein. Das fühlte sich gut an und außerdem ist dieser Ort als Aussichtsplattform mit einer Stempelstelle, Nummer 34, gekennzeichnet. Die Route dorthin führt um den Berg herum und dann im Zickzack bis zu den Klippen. Auf der anderen Seite kann man wieder bis zum Parkplatz zurück laufen. Das ist perfekt, denke ich, und die paar Kilometer sind leicht gewandert. Was ich wieder mal ausgeblendet hatte, ist der kleine Höhenunterschied von zweihundert Metern auf zwei Kilometer Strecke, also genau zehn Meter auf einhundert. Es ist Freitag und Kaffeezeit, als wir in Halberstadt ins Auto steigen. Eine halbe Stunde später sind wir an einem Parkplatz, südlich von Wernigerode am Eingang zum Kalten Tal. Von hier, so die Auskunft eines Wanderers, sind es rund drei Kilometer bis zu den Klippen auf der Höhe. Wir lassen Lily von der Leine, ich schultere den Rucksack und wir starten. Die meisten Touristen sitzen jetzt im Cafè bei Torte und einem „Schälchen Heeßen“. Wir haben gute Laune und bewegen unsere Knochen, weil Bewegung förderlich für die Durchblutung der Gefäße ist und das wiederum hat eine heilende Wirkung, sagte der Arzt kürzlich. Schon nach wenigen Metern hat uns die Kühle zwischen den Bäumen aufgesogen. Es ist still und der Lärm der Straße kaum noch zu hören. An der ersten Wegbiegung treffen wir auf den Zillerbach und Lily nimmt einen guten Schluck daraus. Danach folgen wir dem Lauf des Bächleins, das Tal zur Linken und den aufsteigenden Hang zu unserer Rechten. Langsam wird mir bewusst, dass wir hier sind, um dort hinauf zu steigen. Oh Scheiße! An der nächsten scharfen Wegbiegung steht einsam ein Wegweiser und der zeigt nach oben, wo nach zwei Kilometern unser Ziel erreichbar sein soll. Schon unsere ersten Schritte in den bewaldeten Hang hinein lassen erkennen, dass zehn Meter Höhe auf einhundert Wandermeter nicht geschmeichelt sind. Schritt für Schritt entschwindet der Wanderweg unter uns, das Blut beginnt zu pulsieren, der Atem ist jetzt schneller und der Schweiß bricht aus allen Poren, während der Weg sich in steilen Serpentinen in die Höhe windet. Warum erfindet niemand ein Warnzeichen für steilen Bergpfad, damit auf einer Karte gut zu erkennen ist, dass es heftig wird und das vor der hohen Pulsfrequenz warnt? Verdammt, ist das steil hier! Beinahe könnte man den Blick für die Schönheit der Natur vergessen. Vor jeder Biegung hoffe ich, das Ende bald zu erkennen und danach habe ich den Weg bis zur nächsten Biegung vor Augen. „Aufwärts immer, abwärts nimmer“, oder so ähnlich, klingt eine alte Stimme aus vergangenen Tagen brüchig zu mir und plötzlich muss ich, trotz dieser Schinderei, lächeln. Am Hang entdecke ich jetzt immer öfter einen roten Fingerhut, auch Waldglöckchen genannt, mit seinen prächtigen charakteristischen Blüten,  einer Rispe vergleichbar. Eine der vielen Schönheiten im Harz, aber vorsichtig, die rosarote Verführung ist hochgiftig, weiß ich noch aus dem Biologieunterricht und einen Moment denke ich an Gisela, meine Biologie- und Klassenlehrerin an der Penne. Wenn die von meinen Kenntnissen wüsste. Wir schnaufen uns eine halbe Stunde den Berg hinauf und Lily mit ihren fast 14 Jahren stets zwischen uns. Vier kurze Hundebeine sind schneller als meine beiden Laufstaken. Dennoch hängt ihr die Zunge auch bis zum Waldboden. Nach einer kurzen Rast und einem Schluck Wasser am Waldrand, nehmen wir den letzten halben Kilometer unter die Fußsohlen. An einer Kreuzung steht eine kleine Hütte und von hier zweigt auch ein unscheinbarer Pfad ins Gebüsch ab. Den hätte ich übersehen, aber genau da entlang müssen wir, um zu den Klippen zu gelangen. Es geht durch dichtes Gestrüpp und hohes Gras bis endlich ein kleines Felsplateau zwischen den Bäumen hindurch schimmert. Geschafft, oben! Wir sind auf dem Scharfenstein, exakt 462 Meter über dem Meeresspiegel hinter dem Horizont. Bevor wird die letzten Stufen zur Plattform aufsteigen, wird noch der Stempel in die Wanderbücher gedrückt, doch dann stehen wir oben auf dem Sporn, der nach unten steil bis ins Kalte Tal abfällt. Man blickt auf die gegenüber liegenden Berghänge, ahnt, wo Wernigerode sich versteckt und man hat freie Sicht bis zum Brocken. Der Blick ist nicht ganz so gigantisch, wie zum Beispiel vom Ottofelsen, aber reizvoll ist es allemal, hier zu stehen und einen Blick zu haben, den die meisten Touristen, schon aus Zeitmangel, niemals genießen werden. Wer sich hierher als Tourist verirrt, muss wahrscheinlich auf andere seiner Wanderziele verzichten, denke ich mir, und bin froh, jetzt nicht als Urlauber hier oben zu stehen. Was für ein schönes Gefühl, hier im Harz gelandet und zu Hause zu sein! Wir verweilen einige Minuten, genießen die Aussicht und den nächsten Schluck Wasser. Danach tasten sich meine Füße vorsichtig die Steinstufen nach unten und durch das dichte Dornengestrüpp zur Hütte zurück. Jetzt würde auch ich gern einen Kaffee trinken und in eine heiße Bockwurst beißen. Bevor sich der Gedanke daran festsetzen kann, brechen wir zum Rückweg auf. Von jetzt an geht es eine Stunde lang nur abwärts, immer der Nase nach und durch die einsame Natur. Jeder Schritt ein kleiner Schlag auf die Hüftknochen und in Verlängerung auch auf die Wirbelsäule. Ich ahne schmerzliches für den Tag danach. Nur ein einziges Mal kommt uns eine ältere Dame mit ihrem Enkel entgegen. Ansonsten weit und breit keine Menschenseele, nur das Zwitschern der Vögel in den Zweigen über uns kann man hören und erst viel später dringen auch wieder Geräusche von der Straße an unsere Ohren. Nach drei Stunden und reichlich fünf Kilometern, erst auf die Höhe und dann wieder ins Tal, ist der Parkplatz nicht mehr weit. Unten wieder angekommen ist Abendbrotzeit und anstatt jetzt nach Hause zu fahren, legen wir einen zweiten kurzen Halt am Schaubergwerk Büchenberg nahe bei Elbingerode ein, um den Stempel Nummer 37 einzusammeln. Doch dieser Teil müsste dann vielleicht eine andere Überschrift bekommen.                                                                         Stempelstelle Nr. 34  
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.