Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Nahaufnahmen vom Balkon - „Es hat Zoom gemacht!“ 24.04.2019 Seit einigen Monaten bin ich stolzer Besitzer einer neuen Kamera. Nicht überteuert, aber meine. Die ist schwarz und hat ein paar Knöpfe zum drücken und drehen. Wenn ich daran spiele, wird das eine Ding vorn immer länger das wünsche ich mir auch manchmal und je länger es wird, desto besser und schärfer kann man etwas sehen, was ganz weit weg ist. So etwas nennt man „Tsuuum“, habe ich vor vielen Jahren im Radio gehört. Wenn es „Tsuuum“ macht, macht es richtig Spaß. Man kann dann Details erkennen, die man vorher nicht mal geahnt hätte. Den Mond zum Beispiel. Der ist so unsagbar weit weg, dass sein „Gesicht“ nur in hellen Nächten und bei Vollmond zu erkennen ist. Wenn ich aber das „Tsuuum“ benutze, ist Mond’s Karle auf dem Schirm vom PC plötzlich ganz. Dann stelle ich mir einfach vor, neben einem der Mondkrater zu landen und die Fußabdrücke von Neil Armstrong zu suchen oder von jenen Mann, der 1960 die „Signale vom Mond“ gesendet hatte. Neulich konnte ich sogar beobachten, wie ein Flieger versucht hat, auf dem oberen Rand vom Mond zu landen. Er hat ihn nur knapp verfehlt und ist dann weiter geflogen. Da ich nun Rentner bin, aber keine Blümchen oder Tomaten züchte, darf ich mich einfach nur so auf den Balkon setzen und gucken. Meist nach vorn oder oben und selten nach unten. Manchmal ist auch meine Kamera dabei und manchmal kommen auch Vögel dorthin, wo ich sitze. Vor dem Balkon streckt sich ein kleines Dach und selbiges scheint für die Vögel als Landeplatz zu fungieren. Dann stolziert so ein Prachtexemplar vor mir her oder eine Vogelmama präsentiert mir ihren Wurm im Schnabel, ehe sie zum Füttern fliegt. Dann bin ich zufrieden wie jemand, der gerade die Blumen gegossen hat. Ich heiße aber nicht „Blumenmann“, sondern ich bin ein Vögelmann, der beobachtet und man kann „Wojöhr“ zu mir sagen. Als ich neulich so saß und „wojöhrte“, kam plötzlich ein großer Schatten geflogen. Bevor ich „Tsuuum“ machen konnte, war der Storch schon über dem Dach gegenüber und entschwand. Genau so habe ich ihn gerade noch erwischt, also von hinten und dann entfleuchte er. Seitdem habe ich vom Balkon nie wieder einen Storch gesehen. Stattdessen kreisen jeden Tag Milane über ihrem Revier, also der Stadt. Die kündigen sich mit ihrem typischen Schrei an und dann weiß ich, dass ich „Tsuuum“ machen kann. Es gibt Tage, da fliegen sie im Tiefflug über die Dächer direkt auf mich zu. Wenn ich dann auch noch Glück habe, erwische ich einen beim Kreiseln. Was für ein schöner stolzer Anblick, so ein Rotmilan im Flug! Hinter dem Haus verbirgt sich ein Innenhof von einem Häuserkarree. Was von der Straße ziemlich fad, lausig und grau aussieht, entpuppt sich dann im Innenhof, mit einem Garagenkomplex, als eine kleine grüne Oase mit Sträuchern, Bäumen und Wiesen. Dieses Terrain haben die Vögel für sich auserkoren. Sie bauen sich Nester und fliegen umher, um Nahrung zu suchen. Dabei kann ich sie vom Balkon aus beobachten. Am meisten hat mich mal Familie Specht zum Staunen gebracht, als sie an einem alten Baumstamm nach Larven und Käfern suchten. Das war meine Gelegenheit „Tsuuum“ zu machen und einige Augenblicke zu erwischen. Inzwischen gibt es den alten morschen Stamm leider nicht mehr. Er fiel dem Sägemann zum Opfer. Unser Haus hat auf der Straßenseite keinen Balkon. Dort bewohne ich ein Zimmer mit einem Fenster zum Hinausgucken. Dann sehe ich die oberen Zweige eines Baumes, der eigentlich weiß blühen sollte, aber eine rosarote Blütepracht trägt. Jedes Jahr im zeitigen Frühjahr kann ich beobachten, wie Stück für Stück das Leben aus seinen Ästen sprießt und wenn ich Glück habe, erwische ich sogar einen der vielen Vögel, die sich die verdorrten kleinen Früchte vom vergangenen Jahr holen. Im Winter, wenn es bitter kalt ist, tragen die dünnen Äste eine gefrorene Eis- oder Schneelast und bilden bizarre Formen, über die man nur staunen kann. Bis vor einigen Jahren hätte ich dafür wohl kaum einen Blick gehabt, doch seitdem meine Kamera so schön „Tsuuum“ macht, gelingen mir von den Zweigen und den roten Früchten wunderschöne Fotos. Vor ein paar Jahren wäre mir das noch nicht aufgefallen. Inzwischen liebe ich es, bei Sonnenschein auf dem Balkon zu sitzen, einen Kaffee neben mir zu haben und meine Kamera in der Nähe, um vielleicht zufällig einen besonderen Moment einfangen zu können. Ich genieße es, mir den Luxus von Zeit und Ruhe leisten zu können, ohne dafür eine Atlantikinsel im Anspruch nehmen zu müssen. Auch hier gibt es so einen blauen wolkenlosen Himmel und manchmal einen Augenblick, den festzuhalten es sich lohnt. Einen unruhigen Schwarm Kraniche zum Beispiel, die gerade aus dem Süden gekommen sind, um hier den Frühling zu begrüßen oder einen Ballon, der still hoch über mir zu stehen scheint oder zwei Flieger mit ihrem langen Kondensstreifen, die den Eindruck vermitteln, sich Sekunden später berühren zu können. Alles entdecke ich mitten in der Stadt. Ich weiß, in weniger als einer Stunde könnte ich auch irgendwo da oben im Harz sein und in der Stille der Natur noch ganz andere Motive finden. Davon erzähle ich in einem anderen Beitrag und zeige meine Lieblingsplätze mit wundervollen Blicken auf die kleinen und großen Geheimnisse rund um den Brocken.