Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Auf dem Preußenturm Bad Suderode 17.08.2021 Der Urlauber im Harz darf sich auf eine besondere Landschaft und außergewöhnliche Orte freuen. Es gibt hohe Berge und tiefe Täler, Flüsse, Bäche und Seen, es gibt stolze Schlösser zu entdecken sowie Türme zu ersteigen, von denen man faszinierende Aussichten bestaunen kann. Auf einigen stand ich bereits, wenige kann man leider nicht besteigen. Einer, der bisher auf meinen Besuch warten musste, ist der Preußenturm nahe Bad Suderode. Ein Bekannter aus EE, der sich in der Paracelsus Harzklinik von einer schweren Erkrankung mit Corvid erholt, hatte uns eingeladen, mit ihm zu wandern. Hinter dem Kurhotel am Ortsausgang haben wir uns verabredet und direkt am Berg die rollende Blechbüchse abgestellt. Die Begrüßung ist kurz und herzlich, der Wanderstock fest in meiner Hand. Nur wenige Schritte und eine kleine Treppe direkt am Hang führt hinauf und in den Wald. Es ist, als würde man von der Natur verschluckt. Plötzlich sind alle Geräusche verstummt, der Wind verschwunden Stille, obwohl Dächer und Häuser durch die Äste hindurch schimmern. Der Weg führt, ganz allmählich ansteigend, um den Berg herum und erst hinter einer Spitzkehre etwas steiler aufwärts, tiefer in den Wald hinein. Nur ab und zu knackt irgendwo ein Ast. Diese Ruhe färbt auf die Seele ab, lässt alles andere verschwinden, denn hier gibt es weder Wahlplakate noch Werbung. An einer Wegkreuzung steht einsam eine Bank und ein Schild erzählt schweigend von einem Holzkrieg an der anhaltinischen Grenze zu Preußen. Hier machen wir eine kleine Pause zum Verschnaufen. An der nächsten Abzweigung wird es steinig und steil. Mein Rücken ist jetzt schweißnass, aber warm. Wir laufen durch Laubwald einen Hang hinauf und auf der anderen Seite wieder ein Stück steil hinab. Vom Hauptweg zweigt ein Trampelpfad ab, dem wir wenige Meter folgen. Plötzlich stehen wir mitten auf dem Pfad vor einem eigenartig geformten Stein. Dies sei das „Orakel“, meint unsere Begleitung und fügt hinzu: „Sieht aus wie ein Arsch“. Ich mag diese Diskussion nicht vertiefen und begebe mich wieder zum Hauptweg, der auf eine kleine Anhöhe führt. „Sie haben ihr Ziel erreicht“, höre ich meine innere Stimme flüstern. Tatsächlich streckt sich, zwischen vielen Baumstämmen kaum zu erkennen, das hölzerne Gerüst einer Turmkonstruktion in die Höhe, der Preußenturm. Auf über dreihundert Metern steht hier seit mehr als einem Jahrhundert ein Turm. Nach 1953 trug er mehr als drei Jahrzehnte den Namen von Thomas Münzer. Diese Jahreszahl ist heute noch auf seiner Wetterfahne zu lesen. Nach dem politischen Kehraus erhielt das Holzgerüst frische Balken und wieder seinen ursprünglichen Namen. Am Fuß des Turmes, neben einer rustikalen Sitzgruppe, drücken wir den Stempel Nummer 185 in die Wanderhefte. Anschließend besteigen wir über hölzerne Treppen den Turm bis zur Aussichtsplattform, die sich in etwa auf Höhe der Baumwipfel befindet. Wäre es heute nicht so diesig, würde unser Blick weit in die Landschaft reichen. Immerhin kann man Quedlinburg gut erkennen und auch Teile der Teufelsmauer. Mein Auge streift über die Dächer von Bad Suderode mit dem Kirchturm mittendrin und der Klinik im dichten Wald. Ein frisches Windchen lässt mich ein Gefühl von Fliegen spüren, als könnte ich über die Baumwipfel vor mir, über den Wald und die Höhen gleiten. Am Geländer stehend, genieße ich die Weite des Harzvorlandes, das quasi wie zu meinen Füßen liegt. Der Abstieg vom Turm wird für das Hüftgelenk zur Herausforderung und der vom Berg runter ebenso. Der Weg ist diesmal kurz, aber knackig steil und ohne meinen unverzichtbaren Wanderstock kaum zu bewältigen. Als zwischen den Bäumen die Kurklinik auftaucht, bin ich froh, wieder auf ebenem Boden laufen zu können. Der Bekannte lenkt unsere Schritte zur Kuranlage, direkt am Waldrand gelegen, zu einer Besonderheit, dem Behringer Brunnen. Der erweist sich als Solequelle, wie es sie in Deutschland nur ein einziges Mal gibt hier in Bad Suderode. Die „Wunderquelle“ enthält viel Calcium und war der Grund, hier eine Badeanstalt zu eröffnen sowie dem Ort den Titel „Bad“ voran zu stellen. Es entwickelt sich eine lange und erfolgreiche Geschichte als Heilbad, die zunächst auch über die politische Wende hinaus hält. Seit 2013 allerdings ist das Kurzentrum geschlossen und man ahnt auch, warum. Schade um all die Anstrengungen in den Jahrzehnten davor. Den Geschmack dieses Wassers werde ich in der nächsten Stunde nicht aus meinem Mund heraus bekommen. Nicht direkt unangenehm, aber gut und gern verzichtbar. Gemeinsam fahren wir anschließend zur Paracelsus Harzklinik im Wald. Hier treffen wir auf Patienten, die an einer geführten Wanderung teilnehmen werden. Unser Bekannter hat das auch vor. Allerdings möchte ich nicht noch einmal drei weitere Stunden unterwegs sein. Den Beginn der Wanderung unter der sachkundigen Führung von Carsten Kiehne, ein Harzer Original, Meditationslehrer, Buchautor sowie Märchenerzähler, lassen wir uns nicht entgehen und erleben einige Minuten mit ihm, ehe wir uns von unserem Bekannten und der fröhlichen Wandergruppe verabschieden. Ein Buch von Carsten Kiehne ist jetzt unser Begleiter nach Hause, den Autor und Märchenerzähler wollen wir bei anderer Gelegenheit wieder treffen. Dann wird von einer weiteren Begegnung zu erzählen sein.