Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Ritter auf Burg Regenstein 08.06.2019 Vor uns das Pfingstwochenende und hinter uns schwierige Zeiten, in denen ich das Gehen mit kleinen Schritten quasi erneu lernen musste. Über jeden Fortschritt freut man sich, sei er auch noch so klein. Doch es geht aufwärts, jeden Tag ein kleines Stück mehr. Heute spüre ich diese kleinen Schritte ganz besonders, denn wir laufen auf dem Weg hinauf zur Burg Regenstein, die Ruine einer mittelalterlichen Felsenburg, die sich vor Blankenburg knapp 300 Meter aus dem Harzvorland erhebt. Da oben sowie in der näheren Umgebung waren wir schon öfter unterwegs, haben die Natur erkundet und den Blick bis zum Brocken oder tief in die Ebene bestaunt. Die alte Burgruine zu besuchen, lohnt sich immer, doch ganz besonders dann, wenn Ritter mit ihrem Gefolge alljährlich den Felsen „erobern“. Dann herrscht ein buntes Markttreiben und wilde Ritterspiele sowie Gauklerspäße sind zu bewundern. Genau das hier oben zu erleben, ist unser Ansinnen und der Antrieb, in kleinen Schritten dem Weg zur Burg zu folgen. Alle Fotos auf dieser Seite kann man durch Anklicken vergrößern. Es ist Samstag und da der Bundesbürger einen Tag mehr am Wochenende zu verkraften hat, sind alle Einkauftempel überlastet, dafür das Plateau auf dem Regenstein noch familiär übersichtlich. Exakt das war auch unsere Kalkulation und auf die Ängste der Menschen, an einem längeren Wochenende mit einem leeren Kühlschrank, zu verhungern, kann man sich stets verlassen. Dabei sind die ersten Buden gleich hinter dem großen Tor voller leckerer Nasch- und Fressereien. Selbst an einem mittelalterlichen Getränkestand mit Met muss man erst einmal vorüber, ehe man das eigentliche Areal betreten und die Anlage überblicken kann. Ich nehme es gelassen, schlendere langsam an all dem vorüber und erst am Duftstand mit Rippchen, Schaschlik, Spießen und Bratwürsten verweile ich länger, um den Düften Zeit zu lassen, mich zu erobern. Was für ein göttliches Gefühl, derart duftend, verführerisch und langsam kulinarisch eingewickelt zu werden. Ich liebe es! Bis zum Mittagsglockenschlag gedenke ich, noch einige Meter zu laufen und Stufen im Felsgestein zu erklimmen. Meine Schritte führen an Ständen mit sonderlichen Gewandungsstücken, archäologischem Geschirr und allerlei anderen merkwürdigen Gerätschaften, wie einem Spinnrad, vorüber. Diejenigen, die Waren feilbieten, haben schon die vergangene Nacht auf der Burg in ihren Zelten zugebracht. Vom Gewitterguss, der mich aus dem Schlaf weckte, ist ihnen nichts anzusehen, nur die Gewandungen, die sie am Leibe tragen, ziehen meine und die Blicke anderer Besucher an. So manches Kostüm strotzt in hellen Farben, besticht mit reichhaltigen Verzierungen oder fällt durch originelle Verarbeitung auf. Man kann ganz leicht, ob der üppigen Farben- und Formenpracht, neidisch werden. Ich muss wohl meine verwaschenen Jeans, auf die ich stets so stolz war, bald auf dem Altar der Vergänglichkeiten opfern und mir Beinkleider der besonderen Art, im Zeitalter „moderner“ Uniformität, aussuchen. Ich möchte auch unverwechselbare Kleidung an meinem Körper tragen, nehme ich mir in diesem Augenblick vor. Auf dem fast höchsten Punkt der Burgruine weht ein kräftiger Wind durch alle Löcher des Felsen und darüber auch. Der Himmel leuchtet blau, ist fast wolkenlos und hinter den Hängen der Berge hebt sich der Brocken empor. Ein wundervoller Anblick, den ich immer wieder gern und neu bestaune. Ich weiß, dass ich jetzt hier zu Hause bin, dennoch wirkt der Anblick der Berge mit dem Brocken dahinter immer noch überwältigend auf mich, so als wäre ich für Bruchteile von Momenten wieder Kind und zu Besuch hier. Einfach sehen und staunen, diese Weite bewundern, den Blick in die Ebene hinter mir genießen und zu meinen Füßen auf die Spitzen der Zelte unten am Fels blicken. Was für eine herrliche Kulisse für mittelalterliche und unterhaltsame Spiele inmitten der Natur! Die städtische Einkaufshektik ist weit weg, Zeit spielt keine Rolle mehr und so etwas wie Alter wird hier vollständig und von allen ignoriert. Das Kind im Manne ist dem Glück und Vergnügen schutzlos ausgeliefert. Ich liebe es! Auf dem Weg zurück ins Lager und zum Platz der Spiele begegne ich dem Kaiser höchstpersönlich und der lässt sich sogar, nachdem ich ihn dem Stande gemäß begrüßt habe, auf einen fachlichen Plausch zur Historie ein. Zuvor allerdings muss ich an der eisernen Faust einer seiner ritterlichen Gefolgsleute vorüber, der sich ebenso als Plaudertasche entpuppt. Ich darf einen Blick in kaiserliche Zeltgemächer und einen weiteren auf seine Krone werfen. Wenig später habe wir uns an einem der Stände für einen leckeren Fleischspieß entscheiden. Auf einer Bank gönne ich meinen Füßen eine Verschnaufpause, meinen Ohren zarte Klänge von WOLGEMUT, einem Trio fahrender Spielleute, das sich historischen Klängen auf Drehgeige, Flöte, und einer Nyckelharpa verschrieben hat und damit mystische „Feenreigen & Kobolztreiben“ zu Gehör bringt. Einige Minuten lausche ich den sanft - lyrischen Tanzmelodien und schließe mich gern dem Jubel der Zuhörer an, ehe wir unsere Entdeckungsreise neben, hinter und sogar in den Zelten auf Regenstein fortsetzen. Selbst der Köchin unter freiem Himmel darf ich in den Kessel schauen, ohne gleich einen Schlag mit der Kelle befürchten zu müssen. Überall treffe ich freundliche Menschen aus scheinbar mittelalterlichen Zeiten, die bei mir gerade deshalb einen sehr zeitgemäßen Eindruck hinterlassen. Jedenfalls hatte der Kaiser, wie auch ich, kein Smartphone bei sich und außerdem langes graues Haar. Ich liebe es! Am Rande der großen Spielfläche sammeln sich jetzt viele Besucher um Rudolfo, dem, „der mit dem Feuer spielt“ und gar fürchterlich laut schreien kann. Aber nur aus Spaß und sehr zum Gaudi von Weib und Mann im weiten Rund. Der kräftige Mann ist eine echte Show-Kanone, der sein Publikum noch mit spontanem Humor, deftigen Sprüchen und filigranem Gefühl für die Kleinsten vortrefflich unterhalten kann. Kein Feuerspucker, sondern ein Magier des Dialogs und der kleinen Gesten, die den Großen des Show-Biz schon lange abhanden gekommen sind. Auch ich stehe im Halbkreis um ihn herum und lasse mich von seiner feurigen Magie, zwischen wechselnden Windböen hier oben, entzünden. Nach einem begeisternden Applaus löst sich die Menschentraube auf, um sich am Seil rund um den Reiterplatz neu zu formieren. Hier hält jetzt die gewaltige Ritterschaft, bestehend aus drei temperamentvollen Pferden, Einzug, um dem Volk seine gefährlichen Kampfspiele mit den Lanzen zu präsentieren. Ross und Reiter sind, wie in mittelalterlichen Zeiten üblich, bestens mit prunkvollem Geschirr, Harnisch sowie Mut ausstaffiert und geben ein gar trutziges Dreiergespann ab. In der Mitte des Platzes ließ der Lehnsherr einen Parcours ohne Hindernisse aufstellen, von dem die mutigen Ritter mit ihren Lanzen verschiedene kleine Ringe im Ritt zu „angeln“ haben. So ein stolzes Ross mit einer klappernden Rüstung auf dem Sattel im Lauf und aus der Nähe zu erleben, ist ein besonderes Erlebnis. Ich lasse mich von der Eleganz der Pferde beeindrucken, dafür von den Drohgebärden des „Schwarzen Ritters“ weniger, dem die Bösewicht-Rolle geradezu auf den Leib geschneidert scheint. Die drei „furchteinflößenden“ Gestalten auf ihren Rössern sind einer der Gründe, weshalb viele Gäste das Gedränge im Supermarkt dem Treiben auf Regenstein vorgezogen haben, da bin ich mir ganz sicher. Wer die „Entsendung des Heiligen Geistes“ miterleben möchte, darf sich nicht zwischen überfüllten Warenregalen verstecken, sondern muss mutig hinaus in die Natur am 49. Tage nach dem Ostersonntag. So jedenfalls will es die christliche Überlieferung und der Veranstalter des ritterlichen Spektakulums auf Burg Regenstein auch. Die Ritter, Schausteller und Musikanten riefen, das Volk strömt alle drei Pfingsttage in Scharen und am Samstag bin ich einer der ersten Gäste. Irgendwann, es mag die dritte Nachmittagsstunde sein, hat das mittelalterliche Programm den ersten Durchlauf erfolgreich bestanden. Meine Füße sind jetzt des Laufens und Kletterns überdrüssig und die Neugier gestillt. Für Freunde erstehen wir noch Souvenirs zu einen runden Geburtstag und wenden uns dann, am hölzernen Herold vorüber und durch das große Tor hindurch, wieder dem realen Leben außerhalb der Burganlage zu. Das hat, in Gestalt eines motorgetriebenen Fahrzeuges, andere Reize zu bieten, deren Nutzung mir gerade gelegen kommt. Doch manchmal habe ich Lust, die Moderne hinter mir zu lassen, in die Gelassenheit und Ruhe vergangener Zeiten einzutauchen, um danach der Hektik wieder tapfer und unerschrocken die Stirn bieten zu können. Dank Euch, Ritter und Fahrensleute, für Eure erquickliche Kurzweil auf Burg Regenstein. Euch zu bewundern, kam ich und Euch in Erinnerung zu bewahren, verspreche ich.