Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Ton am Dom mit Gautschfest 2019
06.07.2019
Es
ist
wieder
Tonzeit
in
Halberstadt.
Ein
Mal
im
Jahr,
am
ersten
Juliwochenende,
hat
die
Tonkunst
die
Macht
über
den
Domplatz.
Ton
und
Keramik
in
bunten
Variationen
und
vielfältigen
Formen
zwischen
Dom
und
Liebfrauenkirche
einerseits
sowie
kunstvolle
Klänge
im
Dom
andererseits,
wenn
Dudelsack
oder
Saxophon
mit
der
Orgel
korrespondieren.
Ein
schwelgerisches
Fest
für
die
Sinne
-
Augen,
Ohren
und
Gaumen
-
das
viele
Besucher
anlockt.
Aber
Vorsicht!
Wer
sich
von
Schönheit
und
Faszination
im
Überangebot
verführen
lässt,
wird
schnell
einen
Schein
(oder
gleich
mehrere)
bei
einem
der
vielen
Händler
verlieren.
Mir
genügt
inzwischen
ein
entspannter
Gang
an
den
Ständen
und
deren
prächtigen
Auslagen
vorbei,
um
diese
kunstvollen
Stücke
einfach
zu
bewundern.
Nur
selten,
wenn
die
Verlockung
zu
sehr
drängelt,
verlasse ich den Domplatz mit gebrannten und glasierten Ton im Beutel.
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Zur
gedanklichen
Einstimmung
auf
das
Großereignis
eröffnete
am
Tag
zuvor
ein
Sonderpostamt
direkt
vor
dem
Rathaus.
Zur
Erinnerung
an
den
Glockenguss
der
„Domina“,
vor
zwanzig
Jahren
für
den
Dom
in
Halberstadt,
kann
man
hier
eine
Postkarte
„20
Jahre
Glockenguss
Domina“
erwerben
und
sich
einen
Sonderstempel
dazu
geben
lassen.
Ein
Teil
des
Erlöses
kommt
dem
Guss
einer
neuen
Glocke
zugute,
denn
die
von
1999
ist
beschädigt
und
außer
Dienst
gestellt.
Als
ehemaliger
Briefmarkensammler,
und
außerdem
für
einen
guten
Zweck,
nutze
ich
diese
Gelegenheit
und
bin
einer
der
ersten, die sich einen Stempel auf die Glocken-Karte drücken lassen.
Der
nächste
Tag
sieht
mich
„zeitig“,
nach
10.00
Uhr,
und
mit
dem
Fahrrad
zum
Domplatz
fahren.
Hier
haben
sich
die
Herren
Gleim,
Spiegel
und
Gutenberg
angekündigt,
um
den
diesjährige
schönsten
aller
Töpfermärkte
weit
und
breit
auf
dem
tausendjährigen
Domplatz
zu
eröffnen.
Die
drei
Herren
und
der
strahlende
Sonnenschein
locken
die
Schaulustigen
an.
Kurz
vor
der
elften
Stunde
fühlt
es
sich
hier
wie
in
einem
menschlichen
Ameisenhaufen
an.
Man
schiebt
sich,
freundlich
drängelt
und
orientierungslos,
durch
die
Menschentrauben,
um
vor
einem
Stand
zu
landen,
dessen
detailverliebten
Kunstwerke
man
bestaunen
könnte,
wenn
der
nächste
Neugierige
nicht,
ebenso
freundlich,
schubsen
würde.
Also
gehe
ich
erst
einmal
gar
nicht
an
den
Ständen
entlang,
sondern
begebe
mich
direkt
zu
dem
einen
kleinen,
der in der Mitte des Platzes einsam aufgebaut steht.
Doch
schon
bald
stehen
überall
Menschen,
viele
Menschen
und
die
warten,
was
denn
geschehen
wird.
Aus
dem
Gedränge
sind
laut
zwei
Stimmen
zu
hören
und
Augenblicke
später
stehen
die
historischen
Figuren
Gleim
und
Spiegel,
wild
gestikulierend,
im
Rund
der
Besucher:
Woher
die
plötzlich
alle
kämen
und
ob
das
etwas
mit
den
vielen
Händlern
auf
dem
Markt
zu
tun
hätte.
Ja,
sind
sich
beide
einig,
aber
nicht
nur
schauen,
nein,
auch
unsere
Geldbörsen
sollen
wir
öffnen
und
die
Gulden
lockern!
Das
Geld
müsse
schließlich
unter
die
Leute
und
für
eine
neue
Glocke
im
Dom
sollte
auch
etwas
übrig
sein.
Der
Jubel
ist
groß,
die
Begeisterung
auch
und
als
sich
Gutenberg
als
dritter
im
Bunde
hinzu
gesellt,
wird
es
richtig
spannend.
Der
verweist
auf
den
Domschatz
sowie
eine
alte
Bibel,
die
wichtig
sei
und
auf
die
Kunst
des
Buchdruckens,
die
Nachwuchs
bräuchte.
Zu
diesem
Zweck
rollt
er
ein
Plakat
aus,
welches
auf
das
Gautschfest
am
Nachmittag
hinweist
und
will
es
sogleich
am
Stand
festnageln:
„Den
Leuten
muss
Kunde
getan
werden,
vom
Ereignis
des Gautschens.“ Ein kräftiger Schlag mit dem Hammer und schon ist es passiert.
Gutenberg
stürzt
mitsamt
dem
Stand
und
den
darauf
befindlichen
Ton-
und
Keramikgeschirr
in
den
Staub
des
Domplatzes.
Gleim
und
Spiegel
stehen
erschrocken
daneben,
um
sogleich
Gutenberg
auf
die
Beine
zu
helfen.
Großes
Gaudi
im
Rund
und
während
noch
der
Bürgermeister
das
Event
eröffnet,
stürzen
sich
einige
auf
den
Scherbenhaufen,
um
ein
noch
brauchbares
Souvenir
zu
ergattern.
Doch
Meister
Gutenberg
ist
schnell
mit
seinem
Hammer
und
was
gerade
noch
heil
im
Staub
lag,
splittert
in
tausend
kleine
Teile.
So
ist
es
Tradition
seit
Jahren,
doch
mit
etwas
Glück
findet
der
Glückliche
unter
den
Scherben
manchmal
ein
brauchbares
Einzelstück.
Ich
fand
schon
einen
kleinen
Zierkrug
ohne
den
Henkel
und
diesmal
ein
gebogenes
Keramikteil,
das
man
mit
Kräutern
oder
Kresse
bepflanzen
könnte.
Mit
meiner Beute in der Hand und der Sonne im Zenit strebe ich vorerst dem Mittagsmahl entgegen.
Zwei
Stunden
später
ist
mein
Fahrrad
wieder
zu
Füßen
der
Martinikirche
geparkt.
In
wenigen
Schritten
überquere
ich
die
Hauptstraße,
steige
die
Treppe
nach
oben
und
stehe
direkt
vor
dem
Gleimhaus.
Der
Ort
des
Geschehens
ist
schon
recht
gut
gefüllt
und
ständig
kommen
mehr
Schaulustige,
beim
Brauch
des
Gautschens,
einer
Freisprechungszeremonie
des
Buchdruckerhandwerks,
dabei
zu
sein.
Zu
diesem
Zweck
steht
ein
großes
Wasserfass,
eine
Bütte,
auf
dem
Rasen
und
ein
Gartenschlauch
befüllt
gerade
das
Innere
mit
frischem
Wasser
direkt
aus
der
Leitung.
Gautschmeister
Loose
gibt
letzte
Hinweise,
während
sich
um
das
Fass
immer
mehr
Neugierige
im
großen
Rund
gruppieren.
Schließlich
führt
der
Gautschmeister
seine
Gehilfen
in
den
Kreis,
weist
sie
in
ihre
Aufgaben
ein
und
zitiert
danach
noch
die
magischen
Worte
des
Herrn
Gutenberg,
wie
beim
Gautschen
nach
altem
Brauch
zu
verfahren
sei.
Die
Meute
amüsiert
sich
prächtig
und in das Lachen hinein der Ruf: „Man bringe mir den Lehrling …!“
Auf
dieses
Kommando
hin
schwärmen
die
Helfer
in
Windeseile
aus
und
führen
Augenblicke
später
ihr
„Opfer“
zum
Stuhl,
auf
dem
ein
völlig
durchnässter
Riesenschwamm
das
Kissen
ersetzt.
Noch
ehe
sich
die
junge
Dame
besinnen
kann,
klebt
ihr
Allerwertester
darauf,
was
sie
wiederum
mit
lauten
Schreien
quittiert.
Hose
nass,
Jubel
groß.
Noch
ehe
sie
weiß,
wie
ihr
geschieht,
hält
sie
einen
Humpen
Bier
in
ihrer
Hand,
den
sie
auf
Ex
auszutrinken
habe,
gebietet
ihr
der
Gautschmeister.
Der
inneren
Abkühlung
folgt
nun
die
äußere
in
Form
eines
vollen
Eimer
Wassers,
den
man
ihr
über
Gesicht
und
Balg
kippt.
Kaum
von
diesem
Schock
erholt,
wird
sie
von
den
Helfern
an
Händen
und
Füßen
gepackt
und
landet
in
voller
Montur
in
der
Bütte.
Klatschnass,
aber
überglücklich
reißt
die
so
Freigesprochene
ihre
Arme
in
die
Höhe
und jubelt der lachenden Menge stolz und übermütig zu. Ich hätte jedenfalls nicht mit ihr tauschen wollen.
Diese
Zeremonie
wiederholt
sich
jetzt
mehrmals
und
nicht
jeder
der
Kandidaten
lässt
sich
freiwillig
von
den
Häschern
einfangen,
kann
aber
letztlich
doch
nicht
entkommen.
Unter
dem
Gelächter
der
Menge
und
manchmal
auch
mit
ein
wenig
Anteilnahme,
muss
jeder
der
Auserwählten
die
Prozedur
über
sich
ergehen
lassen:
Nasser
Po,
ein
Humpen
Bier,
nasse
Dusche
und
Vollband.
Zu
guter
Letzt
stehen
drei
junge
Damen
und
zwei
Herren
in
klatschnassen
Klamotten,
aber
mit
strahlenden
Gesichtern
im
Rund
der
Zuschauer,
um
vom
Gautschmeister,
mit
mahnenden
Worten
sowie
Hinweisen
auf
die
Pflichten
eines
Buchdruckers
ausgestattet,
ihre
Gautsch-Urkunde
in
Empfang
zu
nehmen.
Ganz
ehrlich,
so
ein
schönes
Stück
Papier
hätte
ich
auch
gern
bekommen.
Vielleicht
hätte
ich
mich
dafür
vorher
anmelden
müssen
und
wäre
jetzt auch pitschenass. Bis zum nächsten Jahr ist noch viel Zeit, das noch einmal zu überdenken.
Das
Gleimhaus
und
den
Gautschplatz
im
Rücken,
wende
ich
mich
noch
einmal
dem
Domplatz
zu.
Dort
ist
das
Treiben
in
vollem
Gange.
Die
Gänge
zwischen
den
Ständen
scheinen
wie
vollgestopft,
kaum
ein
Durchkommen
und
im
hinteren
Bereich,
zur
Liebfrauenkirche
zu,
sind
die
Tische
und
Stühle
unter
den
Sonnenschirmen
besetzt.
Man
trinkt,
man
isst
und
man
schwatzt
oder
sieht
einfach
den
Menschen
zu,
die
langsam
vorüber
laufen.
Noch
einmal
gönne
ich
mir
einen
Rundgang
an
den
bunt
gestalteten
und
verlockenden
Keramik-
und
Tonangeboten
vorüber.
Eine
kleine
Ton-Okarina
zum
Schulanfang
für
das
Enkelkind
verschwindet
im
Rucksack
und
bei
einem
der
Bäcker
erstehe
ich
ein
duftendes
Dinkelbrot.
Gern
hätte
ich
auch
eines
der
skurrilen
Keramiktierchen
eingepackt,
aber
irgendwie
hat
mich
jemand
tief
in
mir
zurückgehalten,
so
viel
Geld
für
ein
Rumstehchen
auszugeben.
Stattdessen
halte
ich
wenig
später
einen
Grillstab
mit leckeren Fleischstückchen in der Hand. Auf die Bratwurst habe ich diesmal verzichtet.
Zur
Kaffeezeit
lasse
ich
den
überfüllten
Domplatz
hinter
mir.
Auf
das
geplante
Konzert
im
Dom,
ein
Knopfakkordeon
im
Zwiegespräch
mit
der
Orgel,
verzichte
ich
zugunsten
meiner
Füße.
Ich
habe
mich
mit
ganz
unterschiedlichen
Eindrücken
befrachtet
sowie
einige
lustige
Aktionen
erleben
können.
Jetzt
muss
ich
erst
einmal
sortieren
und
beim
Kaffee
das
Dinkelbrot
verkosten.
Morgen
ist
Sonntag.
Kann
sein,
dass
ich
noch
einmal
zum
Domplatz,
einem
neuen
Abenteuer
entgegen,
aufbreche.
Ton
am
Dom
ist
einer
meiner
persönlichen
Jahreshöhepunkte
und
langsam
ertappe
ich
mich
dabei,
mich
hier
ganz
und
gar
heimisch
zu
fühlen.
Ich
bin
ein
„alter“
Rocker,
Opa
und
wahnsinnig
glücklich,
hier
zu
leben!