Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Zur Stempelsbuche durch das Ilsetal 20.09.2023 Im Oktober vergangenen Jahres wanderten wir zu dritt durch das herbstlich-vergoldete Ilsetal bis zur Bremer Hütte. Die Tour entlang der Ilse war wunderschön und anstrengend. In der „Nagelschmiede“ von Ilsenburg war ein Tisch zum Abschluss reserviert, deshalb mussten wir von der Bremer Hütte den Rückweg antreten ( HIER ). Viele wandern von hier aus weiter zum Brocken. Der Weg auf diesen Berg führt an der Wanderhütte Stempelsbuche vorbei. Vor einem Jahr war das nicht möglich, aber die Idee ging mir nie mehr aus dem Sinn. Heute fahre ich pünktlich 9.00 Uhr auf den Wanderparkplatz in Ilsenburg. Ich will zur Stempelsbuche, durch das ganze lange Ilsetal, bis kurz unter den Brocken auf 670 Meter. In wenigen Minuten erreiche ich den Zanthierplatz. Vor einer Woche stieg ich hier zum Froschfelsen auf, heute schlendere ich weiter durch den Herbstwald an der Ilse entlang. Die Stelle, wo Steintürme standen, haben umgestürzte Bäume verwüstet und dennoch sehe ich erste Versuche, hier wieder die Türme aus Stein aufzustapeln. Weiter am Flüsschen entlang laufend, sehe ich viele gefallende Bäume und riesige Stämme säumen den Wanderweg. Es ist wildromantisch und die Vormittagssonne zaubert wieder mit Licht und Schatten. In solchen Minuten denkt man an nichts sonst und genießt die Magie von Wasser und Licht. Durch das Tal zieht ein sonniger Hauch von Leichtigkeit und manchmal scheint es, als würde sich ein kleiner Troll(patsch) hinter einem der Steine im Wasser verstecken. Könnte sein, dass er mir wieder von seinen Abenteuern erzählen möchte. Es ist einzigartig, hier zu wandern, Natur einzuatmen, abzuschalten, denn alles andere dringt nicht bis hierher. Man kann mit sich selbst allein und im Reinen sein. Zu dieser Tageszeit wandern nur wenige und die es tun, suchen die Stille. Der zweite Teil des Wanderpfades entlang der Ilse ist wegen Baumfällarbeiten gesperrt. Der Forstweg ist die einzige Alternative. Der ist zwar nicht so romantisch und wild, führt aber auch zum Rastplatz an den unteren Ilsefällen. Hier gönne ich mir eine erste kurze Pause, um danach in den Steilweg entlang der oberen Ilsefälle einzusteigen. Der schmale Trampelpfad führt über Wurzeln, Steine und Bruchholz stets an der Ilse entlang, die auf ganzer Länge rauschend über imposante Steinkaskaden sprudelt. Ein beeindruckendes Schauspiel, das Wandern durch das Ilsetal zu einem besonderen Erlebnis macht. Auf diesem Weg kommt man auch am Heinrich-Heine-Gedenkstein vorbei, denn dieser Weg, von Ilseburg bis zum Brocken, folgt den Spuren von Heinrich Heine. Der war am 19. und 20. September 1824 oben auf dem Brocken. Das geschah heute, fast auf den Tag genau, vor 199 Jahren. Ich glaube, nächstes Jahr werde ich an diesem historischen Datum noch einmal hier wandern. Jetzt aber folge ich dem Trampelpfad weiter. Dabei lasse ich mich von neuen Perspektiven bezaubern, muss mich an Gesteinsbrocken vorbei zwängen und Stolperstrecken bezwingen. Die Ilse aber eröffnet immer wieder faszinierende Wasserspiele für den Wanderer. So verrinnt die Zeit und ich gewinne fast unmerklich an Höhe. Dann endlich, nach zwei Stunden, knapp fünf Kilometern und 250 überwundenen Höhenmetern, habe ich die Bremer Hütte auf 530 Meter an einer Wegkreuzung erreicht. Noch knappe 150 Höhenmeter liegen vor mir, doch vorher gönne ich mir eine zweite Verschnaufpause mit Blick zum Brocken. Ich komme mit drei Männern aus Goslar ins Gespräch. Die wollen zum Bocken wandern und mich überreden, mitzukommen. Ich lehne dankend ab und sie setzen ihren Weg fort. Wenige Minuten später folge ich ihnen. Hinter der Schutzhütte tauche ich auf einem schmalen, steinigen Pfad in dichten Nadelwald ein. Man muss höllisch aufpassen, um nicht ins Straucheln zu kommen. Es geht verdammt steil und über wilde Steinabschnitte aufwärts. Regenwasser hat streckenweise eine tiefe Rinne ausgespült, an deren Ende man über gewaltige Brocken aufwärts steigen muss. Ich schnaufe wie eine Dampflok, werde überholt und folge der Gruppe, bis sie aus meinem Blickfeld entschwindet. Ich gehe durch ursprüngliche Teile des Waldes, es riecht nach Pilzen, die Luft ist schwül, aber über den Wipfeln weht der Wind. Als ich oben aus dem Wald trete, bin ich durchgeschwitzt und heilfroh. Eine schnurgerade schmale Waldallee liegt vor mir und manchmal kann man den Sendemast auf dem Brocken erkennen. Ganz am Ende, da muss mein Tagesziel sein. Tatsächlich erreiche ich nach drei Stunden, pünktlich 12.00 Uhr, die Schutzhütte Stempelsbuche. Von der Buche ist nichts mehr übrig, nur der Stempelkasten mit der Nummer 8 erinnert an sie. Zwischen grünen halbhohen Nadelbäumen ragen nackte graue Stämme des ehemaligen Fichtenwaldes in den blauen Himmel. Hier, unterhalb des Brockenmassivs, beginnt die „Todeszone“, in die man hinein tritt, wenn man weiter aufsteigt. Ich hätte noch reichlich vier Kilometer und 500 Höhenmeter vor mir. Nein danke, es reicht mir, den kleinen Erfolg zu genießen. Meine drei Wanderkumpels hingegen brechen gerade zum Brocken auf, als ich ankomme. Ein letzter Versuch, mich zum Aufstieg zu bewegen, dann wandern sie los. Ein wenig beneide ich sie, kann aber auch gut auf zwei weitere harte Wanderstunden verzichten. Nach einer Rast folge ich aus reiner Neugier dem Weg zum Brocken bis zu einer Biegung, dann trete ich den Rückweg an, habe die zweite Hälfte (abwärts) und wieder sechs Kilometer vor mir. Zurück lasse ich mir wieder Zeit für Einblicke in die Natur, die hier uneingeschränkt mir frischem Grün wuchern kann. Dazwischen ragen noch immer nackte, manchmal abgebrochene, graue Stämme hoch. Baumstrümpfe verrotten langsam, Sträucher wuchern und junge Bäume erobern sich das Licht. Man muss allerdings hinsehen und das Tempo drosseln. Speedwandern ist hier fehl am Platz. Diesmal gehe ich vorsichtig über die Steinstrecke abwärts. Ja nicht abrutschen! Andere kommen mir entgegen, Ziel Brocken oder noch darüber hinaus. Man grüßt sich mit „Hallo“ und manchmal quasselt man ein wenig miteinander. Es ist das gleiche Anliegen, das verbindet oder die Frage, wann endlich die Wanderhütte erreicht sein wird. Die Bremer Hütte passiere ich nur mit einem Zwischenstopp und dem Blick zurück zum Brocken. Dann wandere ich auf der anderen Seite der Ilse, einer Forststrasse, abwärts. Von hier bietet sich ein etwas anderes Bild auf die Fälle, weil eine andere Perspektive. Mehrmals steige ich hinab, um dem tosenden Nass zuzusehen und es auch fotografisch zu konservieren. Ich lasse mir Zeit und kann auch zusehen, wie andere auf der Seite gegenüber, wo auch ich vormittags aufgestiegen bin, sich bergauf, und jeder mit seinem ganz eigenen Rhythmus, mühen. Auch weiter unten lasse ich mir genügend Zeit, die Lichtspiele am frühen Nachmittag zwischen Wasser und Baumwipfeln zu entdecken. Es sind einfach fantastische Bilder, die einem von der Natur geboten werden und die Menschen immer wieder in das herrliche Ilsetal locken. Man muss ja nicht einmal bis zum Brocken, zu Stempelsbuche oder zur Bremer Hütte steigen, es genügt, den Nachmittag wandernd und Natur genießend hier zu verbringen. Mir fällt es schwer, mich von der Faszination der Farben und Lichtspiele loszureißen, aber nach sechs Stunden werden allmählich meine Beine schwer. Schließlich bin ich doch froh, die ersten Häuser des kleinen Harzstädtchens erreicht zu haben, auf dem Parkplatz ins Auto steigen zu können. Es war wieder einmal nicht der Stempel, nicht der Endpunkt, sondern der Weg, der die eigentliche Anziehungskraft ausstrahlt. Es ist die Faszination, die herrliche Natur im Harz erleben zu dürfen, fernab von jeglicher Hektik und den Widrigkeiten der Moderne. Hier bin ich wirklich glücklich, fühle mich angekommen.