Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Durchs Elendstal bis Helenenruh Freitag, der 13.05.2022 Manchmal kommt es vor, dass Freunde oder einstige Kollegen, statt nach Marokko zu fliegen oder ein Kreuzfahrtschiff zu besteigen, ihren Urlaub in den Harz verlegen. Eine kluge Entscheidung, zumal nach einer Pandemie. Allerdings benötigen sie dann oft einen sachkundigen heimischen Begleiter, um auch die entlegenen und besonders schönen Flecken zu sehen. Ein Rock-Rentner mit Harzerfahrung ist da eine gute Wahl. Wir sind in Elend auf dem Parkplatz, direkt am Kreisverkehr, verabredet. Pünktlichkeit ist des Eisenbahners Zier, denn die beiden erwarten uns bereits. Herzliche Begrüßung, die Rucksäcke geschultert, Wanderstäbe in die Hände und Abfahrtssignal. Dann stampft der kleine Wanderzug los. Gleich hinter dem Kreisverkehr führt eine Nebenstraße durch eine Brücke der Harzer Schmalspurbahn. Dahinter wird aus der Straße ein Weg, der tief in den Wald führt. Schon nach wenigen Schritten sind wir mittendrin. Links und rechts bis zu vierzig Meter hohe Bäume, die ein grünes Blätterdach über uns bilden, durch das die Sonne blinzelt. Darunter plätschert leise ein Flüsschen über große Steinbrocken. Das ist die Kalte Bode. Sie entspringt weit oben im Harz, unterhalb vom Brocken, im Bodesprung. Da waren wir drei Wochen zuvor wandernd unterwegs. Dies ist auch der gleiche Weg, den Goethe seine beiden Akteure, Mephisto und Faust, zum Blocksberg (Brocken) nehmen ließ. Beide Literaturfiguren starteten in Elend ihren Aufstieg am „Talwächter“, einer zweihundert Jahre alten Fichte, die an der Kalten Bode, am „Teufelsstieg“, zu bestaunen ist. Hier bei Elend ist aus dem kleinen Rinnsal schon ein plätschernder Wasserlauf geworden. Im wildromantischen Elendstal mit dem „Talwächter“ können im Frühjahr auch reißende Wassermassen aus den Bergen ins Tal stürzen. Jetzt aber ist es idyllisch still, wie Balsam für die Seele, und der „Teufelsstieg“ strahlt nichts als Ruhe aus. Wir wandern auf knapp 500 Meter Höhe und werden uns heute noch auf bis über 600 quälen müssen. Doch davon ahnt im kleinen Wanderzug noch niemand etwas. Wir folgen dem Weg an der Kalten Bode entlang bis zu einer schmalen Brücke über das Wasser. Hier wollen wir rüber und dann weiter aufwärts. Unser Ziel ist ein Aussichtspunkt am Barenberg, der uns einen schönen Blick verspricht. Doch schon bald macht uns die Natur einen dicken Strich durch unser Vorhaben. Dicke Baumriesen, am Hang abgeknickt und nach unten gestürzt, versperren den weiteren Weg zur Aussicht auf etwa 620 Höhenmeter. Der Schaffner, also ich, bläst zum Rückzug, aber nur auf diesem Streckenabschnitt. Erst einmal wollen wir noch ein Stück dem Lauf der Bode flussaufwärts folgen. Ein Wanderer meinte, dort hätten wir vielleicht eine zweite Chance, aber schwierig wäre es dennoch. Also geht es weiter an hohen Fichten vorbei, durch die ursprünglichen Reste eines Mischwaldes, so wie er im Harz einstmals vorherrschend war: Rotbuchen, Erlen, Bergahorn und jede Menge Sträucher und auch Fichten. Wir passieren Baumstümpfe voll Moos, wie eine Miniaturwelt am Wegesrand. Dann endlich ist eine Brücke über die Bode erreicht und auf der anderen Seite lädt eine Sitzgruppe vor einer kleinen Hütte zur Rast ein. Die Eisenbahner gönnen sich ein Sektchen, der Schaffner trinkt hausgemachtes Rentnerwasser vom Hahn. Ein Wanderer grüßt und lässt uns wissen, dass man wohl zum Aussichtspunkt gelangen könne, dass der Weg, über umgestürzte Bäume, sehr gefährlich und nicht zu empfehlen wäre. Damit ist auch die zweite Variante, dorthin zu gelangen, für heute gestrichen. Unsere Wanderreise bis zur Brücke ist bisher das bleibende Ereignis. Immerhin. Nach zehn Minuten Rückweg biegen wir nach links in den Hang ein. Auf einem unscheinbaren Schild ist Elendsburg zu lesen. Wir sind neugierig auf das, was uns erwartet. Die ersten Schritte führen durch Sträucher, über einen flachen Hang und dann stehen wir vor einem großen bewachsenden Haufen aus Felsgestein. Nichts von einer Burg oder einer Ruine zu sehen. Da hinauf schlängelt sich ein schmaler Pfad steil in kurzen Serpentinen nach oben. Ich denke an meine Hüfte, wage mich dann aber doch auf den holprigen Pfad. Auf einem kleinen Vorsprung sammeln sich die Bahnwanderer. Der Mutigste wagt sich auf die Spitze des Gesteins und berichtet später von einer engen Felsenkammer (auf 550 Meter). Keine Burg, keine Ruine, nur ein Loch im Felsgestein. Nichts verpasst, aber hier gewesen. Beim steilen Abstieg passiert zum Glück nichts, der Wanderweg „Teufelsstieg“ im Elendstal hat uns munter sowie unversehrt wieder. Ich bin ganz froh, wieder normal wandern zu können. Bald haben wir die Brücke der Schmalspurbahn erreicht und den Pfiff der Lok in der Ferne gehört, den Zug aber leider verpasst. Beim Erkunden der Umgebung finden die drei neugierigen Bahnenthusiasten einen weiteren Wegweiser: Helenenruh 800 Meter. Kein Problem, so die einhellige Meinung, das ist auch noch zu schaffen. Der Rock-Rentner hat eigentlich keinen Bock mehr darauf, schließt sich aber der Neugier der anderen, die heute noch keine Stempelstelle erreichten, an. Exkursion Helenenruh kann beginnen. Für wenige Schritte geht es unheimlich steil einen Hang hinauf, danach aber ganz gemütlich weiter in einer Lichtung aus Baumstümpfen und jungen Bäumchen. Hier beginnt ein Stück Wald, sich völlig neu und natürlich zu erholen. Die Sonne brennt und weiter vorn lockt dichter Mischwald mit viel Schatten. Dort angekommen, wird der Weg zu einem steinigen Trampelpfad, der steil im Schatten verschwindet. Ein Ende ist nicht zu sehen. Ich ahne schlimmeres und erinnere mich an den Weg zur Wolfswarte. Da begann alles auch ganz harmlos und endete schweißtreibend. Auch jetzt bin ich ziemlich schnell außer Puste, kralle meine Hand aber um den Wanderstab und schiebe mich Schritt für Schritt, über lästiges Geröll und Steine, durch dichten Mischwald, immer weiter steil nach oben. Kein Ende in Sicht und die Pumpe jagt den Puls im Eilzugtempo durch den Körper. Endlich ist Straßengeräusch zu hören, der dichte Wald lichtet sich. Plötzlich stehe ich am Straßenrand. Wir müssen über den Asphalt, sagt jedenfalls eine „Äpp“ und irgendwann noch einmal, schiebt diese „Äpp“ hinterher. Der Trampelpfad ist immer noch verdammt steil, steinig, schwer einzusehen. Endlich wieder ein Straßenrand und ein weiterer Spurt über den Asphalt. Dahinter ist es immer noch steinig, es ist steil, aber irgendwo ganz oben scheint ein Ende absehbar, sagt die „Äpp“. Schnaufend schiebe ich mich weiter, während die Bahner weit zurück sind. Ich warte, lasse mich überholen und warte auf die beiden Damen, ehe wir uns gemeinsam die letzten Schritte, mit bleischweren Füßen, nach oben quälen und dort eine kleine Lichtung erreichen. Es ist geschafft und geschafft bin ich auch! Wir haben Helenenruh, einen Felskamm zwischen Schierke und Elend auf 630 Metern, erreicht. Völlig platt sacke ich auf eine der beiden Bänke. Gestartet auf Höhe fünfhundert, steigt man alle einhundert Meter Wanderstrecke in die zweite Etage eines Wohnhauses und das Ganze acht Mal. Würde man auf die Karte schreiben, Sie müssen acht Mal in die zweite Etage, käme sicher mancher ins Grübeln oder gar nicht erst auf die Idee, diese Tour zu laufen, denke ich, während ich auf der Bank langsam wieder normal atmen kann. Ich erfahre, dass hinter diesem zauberhaften Ort eine Liebesgeschichte versteckt ist und auch, dass ich durch eine Schneise auf Schierke blicke. Auch die Brockenspitze ist gerade noch zu sehen. Im toten Wald darunter, auf halber Höhe, hinterlässt die Brockenbahn ihre Rauchwolke auf dem Weg zum Plateau. Ich genieße den Ausblick, einschließlich den auf den toten Hochwald, während mein Signal noch auf Halt steht. Nach fast vier Stunden Bewegung im Wald, darunter ein Aufstieg mit Mühe zu einer Liebesbank voller Erinnerungen, rollt der kleine Zug Wanderer wieder, über Stock und Stein, den Berg hinab. Das fühlt sich wesentlich schneller an, als aufwärts und ist wohl auch so. Dennoch geht jeder Schritt schwer in die Knochen, was ich sehr bald zu spüren bekomme. Die linke Hüfte ist neu, der Rest schon länger in Gebrauch. Das bekomme ich zu spüren, als wir endlich wieder durch die Brücke der Schmalspurbahn, hinein nach Elend, gehen. Wir beschließen, bei Kukki im Ort noch eine Erbsensuppe zu löffeln, müssen aber feststellen, dass dieser Karteneintrag veraltet ist. Hier gibt es keinen Erbsensuppenstand mehr. Die kleine Eisenbahner-Crew stattet dem Bahnhof von Elend noch einen Freundschaftsbesuch ab, um danach den Parkplatz aufzusuchen. Von hier aus führen wir unsere Bekannten noch bis zum Stempel am Wasserfall in Königshütte. Dort holen sich beide noch einen Eintrag in ihr Stempelheft, wir aber verabschieden uns und rollen dann quer über den Harz wieder heimwärts. Freitag, der 13. und nichts ist passiert. Meine Knochen widersprechen auf das Heftigste!