Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Ruine Königsburg und Wandern zur Trogfurther Brücke
03.07.2021
Lange Zeit war es mir nicht bewusst, doch jetzt weiß ich es: Rapunzel war eine Brockenhexe. Reste der einstigen
Königsburg findet man heute am Ortsausgang von Königshütte in Richtung Sorge. Auf der linken Straßenseite erhebt
sich eine bewaldete Höhe. Sie zu erklimmen, muss man einen steilen Pfad besteigen und steht schließlich vor den
Resten eines Turmes. Auf dessen Spitze wachsen heute Sträucher und sogar ein Baum, doch vor Jahrhunderten
verbarg sich hinter der Mauer ein Zimmer mit Fenster; die Kammer von Brockenhexe Rapunzel und im Garten darunter
wuchs der Feldsalat, auch Ackersalat Rapunzel genannt. So könnte es gewesen sein und so möchte man es glauben,
jedenfalls ich.
Nicht erst in Zeiten dieser Pandemie lockt mich die faszinierende Schönheit der Landschaft im Harz Sie reizt mich,
seitdem ich hier lebe und sie fordert meine Neugier immer wieder heraus. So ist es auch an diesem Samstag. Vom
Wanderparkplatz am Ortsausgang von Königshütte steige ich den Trampelpfad nach oben, stolpere über Wurzeln und
suche Halt mit meinem Wanderstab. Fünf Minuten später stehe ich oben und erkenne, mit etwas Fantasie, die Brücke
mit den Resten eines Burgwalls. Die Natur holte sich mit Gräsern, Sträuchern, Blumen und Farnen große Teile davon
zurück. Nur der Turm aus grauen Steinen ragt noch zwischen Bäumen heraus. Fast wie im Märchen sieht es hier aus
und der Gedanke, Rapunzel würde jeden Augenblick aus dem einzigen Loch im Gemäuer ins Freie treten, stellt sich wie
von selbst ein. Ich stehe hier auf 430 Meter, den Turm im Rücken, und schaue in die Landschaft unter mir. Zu meinen
Füßen streckt sich Königshütte in die Länge, dahinter Wiesen und Wälder und weit im Hintergrund überragt der Brocken
majestätisch den Harz. Auf den Bergwiesen weiden die Rindviecher einer seltenen Gattung. Welch herrliches Panorama
die Brockenhexe Rapunzel von ihrem Turmfenster zu bestaunen hatte! Kein Wunder, warum ihr niemals langweilig
wurde. Jetzt weiß ich natürlich auch, warum jener Prinz unbedingt in ihre Kammer wollte – der Aussicht wegen.
Im Stempelheft landet die Nummer 41 und dann versuche ich, die schmalen Pfad-Serpentinen wieder fehlerfrei, und in
kleinen Schritten, abwärts zu gehen. Wieder einmal hat mich die Karte ausgetrickst, mir nicht verraten, dass es steil
nach oben und wieder abwärts geht. Unten angekommen, mache ich mich auf den Weg zur nächsten Stempelstelle an
der Trogfurther Brücke, deren Wehr das Wasser der Kalten und Warmen Bode, die sich vor Königshütte vereinen,
aufstaut und einen See entstehen lässt. Den zu umwandern, haben wir uns vorgenommen. Immerhin locker sieben
Kilometer auf einem Weg zwischen Ufer und Waldhängen entlang. Darüber die sengende Sommersonne und nur
manchmal ist Gelegenheit, im Schatten der Bäume zu wandern. Der Weg windet sich am Ufer entlang und erfreut uns
mit ständig wechselnden Aussichten. Zunächst über eine Fläche, wo Sträucher wild wuchern. Hier irgendwo fließen die
beiden Bodeflüsschen zusammen und speisen den See. Davon ist leider nichts zu sehen. Später blicken wir über das
Wasser und auf die Berge dahinter. Wir machen Rast auf einer der Bänke, genießen die Ruhe und Schönheit der Natur
und gönnen den Füßen einen Moment Ruhe.
Nach einer Stunde ist das Stauwerk erreicht und Stempel Nummer 42 im Wanderheft. Von der Brücke genießt man
einen wundervollen Ausblick über die ganze Länge des Sees und darüber hinaus. In der Ferne erblicke ich links den
Wurmberg bei Braunlage mit seinem Turm und rechts überragt der Mast auf dem Bocken die Skyline der Berge. Im
Wasser spiegelt sich tausendfach das Licht der Sonne und ein frischer Wind weht herüber. Das sind die Augenblicke, die
ich liebe und die schmerzenden Gelenke vergessen lassen. Kein Tourist in der Nähe, nur ein paar Wanderer, die dieses
Tal zu Fuß erkunden, so wie wir. Nur manchmal überholt uns jemand mit einem Tracking-Bike und ist schnell wieder
hinter der nächsten Biegung verschwunden. Der Rock-Rentner hingegen zieht das Langsame dem Vorüberrasen am
Zauber der Natur vor. Ich erfreue mich an Enten am Ufer und blühenden Blumeninseln am Wege.
Es ist schön im Harz.
Nach einer Ruhepause an der Trogfurther Brücke, von der ein Überleitungsstollen das Wasser hin zur Rappbodetalsperre
leitet, führt unser Weg am anderen Ufer entlang wieder zurück. Diesmal laufen wir auf einem Asphaltbelag, weil dies
auch der direkte Zugang zur Sperrwerk ist. Meinen Füßen gefällt das eher nicht, sie schmerzen. Zum Glück findet man
in größeren Abständen Bänke, die zur Rast und zum Beschauen des anderen Ufers einladen. Von diesem Angebot
mache ich ein Mal mehr Gebrauch, um danach wieder dem Lauf des Bandes, von Biegung zu Biegung, zu folgen. Die
letzte Rast gestatten wir uns an am „Königshöfer Dorfbrunnen“, einem sanierten Schmuckstück am Ortseingang. Wir
haben es (fast) geschafft. Nur noch die Brücke der Bode überqueren und der Landstraße zum Parkplatz folgen. Hier
kommen wir an der „Alten Försterei“ vorbei, der ein Gedenkstein für Wilhelm Pfeil (1783 - 1859) gegenüber, auf der
anderen Straßenseite, steht. Dessen Spuren kann man an vielen Stellen im Harz finden. Nach reichlichen drei Stunden
Wandern im Harz falle ich - schlapp, zufrieden und glücklich – in den Fahrersitz. Vielleicht spukt da oben noch ein
Burggeist (von Rapunzel?) herum und winkt mir zum Abschied zu. Adieu Rapunzel, wir sehen uns sicher bald wieder.