Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Zwei feiern 60 Jahre Leben 16.06.2019 Beide saßen 1976 am meinem Tisch im Kulturbüro und lauschten meiner Vision, in Elsterwerda einen Jugendclub auf die Beine stellen zu wollen. Mir schwebte vor, mit Jugendlichen für Jugendliche in der Stadt unterschiedliche Veranstaltungen zu organisieren. Im Mittelpunkt sollten Rock-Konzerte stehen. Beide, Roswitha und Ralf, hatten Lust, dabei mitzumachen. Bald fand sich eine kleine Gemeinschaft und eine Entwicklung begann, die nicht vorhersehbar war und deren Nachwirkungen mehr als dreißig Jahre später noch immer in Erzählungen der damals Beteiligten und in Schilderungen vieler Besucher nacherlebbar ist. Mehr als dreißig Rock-Konzerte und ungezählte Liedermacherabende klingen bis in heutige Tage nach. Sie haben einen Ruf geprägt, der auch viel mit einer alten HO-Verkaufsstelle zu tun hat, die wir ausbauten und DIE STUBE“ nannten. Eine Oase der Jugend und Kleinkunst mitten in der Kleinstadt, auf halber Strecke zwischen Berlin und Dresden. Aus den beiden Teenagern wurde ein Paar fürs Leben und wir sind Freunde seit vierzig Jahren. Diese Fotos Maik Hausmann - danke Manuela. Irgendwann klinkte ich mich aus und andere, unter anderem Ralf, hatten dort das Sagen. Wir holten die erste Garde der Liedermacher dorthin, ließen KEIMZEIT bis in den frühen Morgen aufspielen, wir lauschten den Songs von STEFAN DIESTEL- und GERHARD GUNDERMANN, den Worten so mancher Schriftsteller und wir lachten bei den Aufführungen von FINKE FALZ aus Dresden. „DIE STUBE“ hatte einen exzellenten Ruf bis Berlin und Dresden, aber die Wende nur kurze Zeit überlebt. Viele Mitglieder orientierten sich beruflich neu, sie gründeten eine Familie oder sie verstreuten sich in alle möglichen Himmelrichtungen. Doch mit vielen der verschworenen Truppe blieb der Kontakt bis in heutige Tage bestehen. Wir freuen uns, wenn wir uns zufällig einmal treffen. Zu Roswitha und Ralf wuchs sogar eine Freundschaft, die auch weiter besteht, obwohl wir seit fünf Jahren gar nicht mehr in Elsterwerda leben. Die beiden damals Siebzehnjährigen feiern heute ihre 60. Geburtstage und wir fahren noch einmal in die Kleinstadt, um die vielen Jahre in Gesprächen Revue passieren zu lassen. Wir rollen drei Stunden vom Harz über Pisten sowie Bundesstraßen und sind neugierig, was uns schon bald erwarten wird. Elsterwerda hat sich verändert. Die zufrieden träge Beschaulichkeit von einst, ist neuen Fassaden und einer Menge Beton gewichen. Das Gras auf dem Postplatz wurde gegen Geschäftsgebäude getauscht und die Grünfläche des Marktes mit Beton versiegelt. Auf der Berlinerstraße sind schattige Flächen der alten Bäume verschwunden. Dort stehen jetzt junge Bäumchen zwischen den Parktaschen im prallen Sonnenschein. Von Geschäftigkeit nirgends eine Spur zu entdecken. Nicht vor dem „Carpe diem“, einst „DIE STUBE“, nicht auf der Tennisanlage, wo einst das Freibad lockte und vor der eingezäunten Ruine des Gesellschaftshauses erst recht nicht. Im ehemaligen Kino werden schon seit Jahren Fahrräder an den Mann gebracht. Heute besitzt beinahe jeder ein eigenes Auto und man verlässt die Stadt, um das Kino, die Badeanstalt, die Konzerthalle, die Erlebnisgastronomie oder unberührte Natur weit außerhalb aufzusuchen, so die satirisch unausgesprochene Empfehlung. Wozu also eine geschrumpfte Kleinstadt am äußersten Rande Brandenburgs, nahe an Sachsen, attraktiv machen? Thema durch – Punkt. Wir sind „auf dem Holzhof“ verabredet, der einstigen Ludwig-Jahn-Sportstätte. Der graue Gedenkstein für „Turnvater Jahn“ ist hinter wucherndem Gesträuch kaum noch zu finden und die alte Tennisanlage wurde zur Parkfläche für die Besucher von Tennis- und Fußballereignissen umfunktioniert. Jedoch das Sozialgebäude der Stadt, das vorzugsweise für die Sportler gebaut wurde, steht noch immer hinter der Park-Gaststätte und wird bewirtschaftet. Davor befindet sich der gepflegte Fußballplatz und dahinter die die neue und größere Tennisanlage. An allen vorbei, so als wäre die Zeit noch immer die gleiche, fließt träge die Pulsnitz der Schwarzen Elster entgegen. Im Sozialgebäude werden wir feiern, Freunde und alte Bekannte treffen sowie eine Menge Spaß haben. Wir sind zu zeitig. Nach und nach treffen die Gäste ein. Der Platz neben der Tür füllt sich mit liebevoll gestalteten Geschenken und Präsenten. Ich habe ganz bewusst meinen Platz so gewählt, dass ich die Ankommenden gut sehen und meine Neugier, wen ich wohl wiedererkennen würde, befriedigen kann. Viele der Ankommenden sind mir nur noch dem Gesicht nach bekannt, habe sie lange nicht getroffen und konnte sie wohl auch nicht treffen. Schließlich sind wir nicht die Einzigen, die aus der Stadt weit fort gezogen sind. Ein solches Beispiel steht mir plötzlich gegenüber und strahlt mich an. Für einige Sekunden bin ich ratlos, ehe ich hinter den leuchtenden Augen Juliane erkenne. Es ist ein Augenblick der stillen Freude, dann eine herzliche Umarmung, ehe die Worte aus uns beiden heraussprudeln und sich überlappen. Juliane lebt heute in Österreich und wir werden den Abend über ganz viel Zeit haben, zu reden und zu lachen. Ebenso geht es mir mit Peter, der plötzlich vor mir steht und mich breit angrinst, ehe es auch bei mir dämmert. Ich hätte mich überhaupt nicht verändert, meint er, nur mein Haar sei inzwischen dünn und weiß geworden. „Blödmann!“, lache ich ihn an, denn Peter „trägt“ gar kein Haar mehr. Mir gegenüber sitzt Gaby, deren Mann zu Hause geblieben ist, und Dietmar, die beide weiter in Elsterwerda wohnen und dann begrüßt mich jemand, der jetzt meine verlorenen Kilogrämmer durch die Gegend trägt. Falk muss ich zunächst nach seinem Namen fragen, denn der ist mir irgendwo in all den Jahren verlustig gegangen, während Petra und Jens sofort wieder aus der Tiefe meiner Erinnerungen auftauchen. Ich freue mich, die beiden erwachsenen Töchter von Roswitha und Ralf wieder zu treffen, deren Partner kennenzulernen und überhaupt die nächsten Generationen zu bewundern. Kinder, wo, verdammt noch mal, sind nur all die vielen Jahre geblieben!? Es wird eine wunderschöne Feier mit vielen interessanten Gesprächen und fröhlichen Begegnungen. Wir werden beim Salsa eine Menge Spaß haben und verschlungene Beine erleben. Zwei Musiklehrer begeistern mit außergewöhnlicher Musik auf ihren Akkordeons und ein Gemeinschaftsspiel, dass viel mit alten Fotografien und neuen Fotos zu tun hat, wird uns alle von den Tischen weg und anderen Foto-Partnern in die Arme führen. Wir werden eine Menge süßes Gebäck beim Kaffee zu „vernichten“ haben und am Abend wie die Heuschrecken über das reichhaltige duftende Buffet herfallen sowie zu später Stunde die erworbenen Kalorien zu AC/DC-Klängen wieder abtrainieren. Es ist beinahe so wie einst, nur „Give Peace A Chance“ wird inzwischen durch „We Will Rock You“ ersetzt, aber der Boden, auf dem wir knien, fühlt sich noch immer so wie früher, auf dem „Highway To Hell“, an - 60 Jahre und kein bisschen leise. Es ist ein wunderbares Gefühl, mit einem kleinen Teil der Meute, nur eben viele Jahre später, diese herzlichen Stunden verbringen zu können und selbst unsere kleine Lily ahnt, dass gerade etwas ganz Besonderes geschieht, ehe sie sich zum Schlafen in ihr Körbchen verdrückt. Noch ehe alle anderen ausgeschlafen haben, laufe ich mit Lily, die frühen Sonnenstrahlen und den Tau des jungen Morgens unter den Bäumen zu begrüßen. Nach wenigen Stunden im Bett sitzen wir im engen Kreis noch einmal beim gemeinsamen Frühstück zusammen, lassen das soeben Erlebte beim Kaffee leise nachklingen. Roswitha und Ralf werden wir Ende September im Harz begrüßen und alle anderen haben in meiner Erinnerung einen bevorzugten Platz gefunden. Noch schnell zwei Kurzbesuche sowie ein Abstecher zum Friedhof. Dann hat uns die Bundesstraße wieder und die Betonpiste mit gefühlt hunderten LKWs lauert schon. Doch es ist jede Anstrengung wert, wenn man verlässliche Freunde treffen und fröhliche Stunden verbringen kann, die so niemals wieder kommen werden. Das Leben rast nicht mehr wie wild, aber es schubst uns weiter. Jeden neuen Tag ein kleines Stück und niemand weiß genau, wohin noch, außer der 70 entgegen.