Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Medizin für den Wald - ein Epilog
01.06.2020
Wenn
Rinderich
seinen
Wald,
der
sich
über
die
Hügel
und
Berge
zieht,
verlässt,
dann
blickt
er
auf
die
Weite
des
Tales,
die
sich
bis
zum
Horizont
erstreckt
und
sich
irgendwo
im
Dunst
verliert.
Zu
seinen
Füßen
erstreckt
sich
das
Land,
einem
bunten
Flickenteppich
gleich.
Neben
ausgedehnten
Wiesen
und
weiten
Flächen
von
strahlend
gelbem
Raps,
sieht
er
auch
dunkle
Flecken
mit
Erde.
Im
Sommer,
wenn
der
Wind
sacht
die
ausgereiften
Ähren
bewegt,
schwankt
das
Feld
wie
die
wogende
See
und
später
macht
es
der
rote
Mohn
ebenso.
Da
hindurch
führt
der
Pfad,
den
er
gehen
möchte.
Er
schaut
sich
das
alles,
wie
auf
der
Karte,
genau
an,
ehe
er
nach
wenigen
Schritten
darin
verschwinden
wird.
All
diese
Pflanzen
sind
jetzt
schon
viel
höher
gewachsen,
als
es
das
Wurzelmännchen
jemals
erreichen
wird.
Er
verschwindet
darin
und
spürt,
irgendwo
weit
am
Horizont
und
mittendrin
versteckt
sich
dieser
Weiher,
von
knorrigen
Weidenköpfen
umrahmt.
Dort
ist
Borkerich,
sein
älterer
Bruder,
zu
Hause
und
verbringt
seine
späten
Tage.
Diesen
Ort
möchte
er
gern
aufsuchen und den Bruder um seine Hilfe bitten.
Vor
vielen
Jahreszeiten,
mit
hohem
Schnee
und
trockenen
Böden,
lebte
auch
Borkerich
im
Häuschen
unter
den
Fichten,
Kiefern
und
Tannen.
Gemeinsam
sammelten
sie
die
Samen
dieser
Bäume,
brachten
sie
dort
in
den
Waldboden,
wo
die
Bäume
abgestorben
waren
und
freuten
sich,
wenn
junge
Triebe
zu
einem
Teil
des
neuen
Ganzen
wuchsen.
Als
die
Fressraupen
in
der
trockenen
Jahreszeit
den
Hochwald
entdeckten
und
sich
unter
der
Borke
und
Rinde
einnisteten,
begann
das
langsame
Sterben,
dem
nicht
Einhalt
geboten
werden
konnte.
Damals
verließ
Borkerich
seine
heimische
Natur.
In
der
Ebene
suchte
und
fand
er
einen
Ort,
der
den
Fressraupen
unbekannt
ist.
Unter
den
Wurzeln
einer
knorrigen Weide baute er sich ein neues Heim.
Vor
ihrem
Häuschen
im
Mooshügel
sitzen
Glöckchen
und
Tröpfchen,
die
beiden
Wichtelmädchen.
Früh
am
Morgen,
als
die
Nebelschwaden
noch
durch
den
Wald
schlichen,
haben
sie
sich
vom
Nachbarn
und
Freund
Rinderich
verabschiedet.
Am
Abend
zuvor
saßen
sie
noch
bis
tief
in
die
Nacht
beim
Kräutertee
beieinander:
„Ich
erreiche
demnächst
meine
späten
Tage“,
hatte
Rinderich
leise
gesagt,
„und
meine
Kräfte
reichen
nicht
mehr
für
die
großen
Aufgaben
im
Wald.
Alles,
was
ich
weiß
und
kann,
habe
ich
an
Euch
weiter
gegeben
und
deshalb
möchte
ich
jetzt
auf
die
Suche
gehen,
um
eine
letzte
Aufgabe
lösen
zu
können.“
Manchmal
hatte
er
darüber
gesprochen,
die
Fressraupen
aus
dem
Wald
zu
verjagen.
Aber
wie,
wüsste
er
nicht.
Deshalb
können
die
beiden
Wichtelmädchen
seinen
Wunsch
gut
verstehen,
Hilfe
zu
suchen.
Doch
nun,
da
dieser
Tag
gekommen
schien,
fällt
ihnen
der
Abschied
schwer:
„Du
wirst
uns
fehlen“
flüsterte
Glöckchen,
denn
ihre
Worte
wollen
nicht
so
recht
über
die
Lippen,
„doch
wir
werden
uns
anstrengen,
den
Wald
mit
unseren
Freunden
zu
pflegen.“
Tröpfchen
nimmt
ihn
schweigend
in
ihre
Arme
und
dann
geht
er
nach
draußen,
in
den
Wald und später aus ihm heraus, in die weite Ebene.
Schon
am
Vormittag
führen
ihn
seine
Schritte
hinein
in
das
flache
Land
an
einem
dieser
riesengroßen
gelben
Rapsflächen
entlang,
geradeaus,
auf
einem
weichen
grünen
Streifen
von
Gras.
Die
Füße
fühlen
die
Kühle
des
Bodens,
über
seinen
Kopf
streicht
ein
frischer
Wind
und
es
kribbelt
in
der
Nase:
„Ha
Ha
Hatschi!“,
schreckt
er
eine
kleine
Bachstelze
auf.
„Hast
mir
einen
Schrecken
eingejagt,
du
Fremdling“,
piepst
ihn
der
Vogel
an,
„wo
kommst’n
her,
wo
willst’n
hin?“
Rinderich
bleibt
stehen,
setzt
sich
vor
die
Bachstelze
ins
Gras
und
lacht:
„Du
kannst
vielleicht
Fragen
stellen.
Hinter
mir
liegen
die
Berge,
vor
mir
das
Ungewisse
und
dazwischen
bist
du“,
hört
er
sich
sagen
und
weiter:
„Weißt
Du,
ich
habe
eine
gute
Idee
von
den
Bienen
und
Insekten
übermittelt
bekommen
und
nun
suche
ich
meinen
Bruder
auf,
um
mit
ihm
darüber
zu
sprechen.
Weißt
du
vielleicht,
wo
ich
den
Weiher
mit
den
Weiden
finde?“
Da
hüpft
die
kleine
Bachstelze,
nickt
aufgeregt
mit
ihrem
Köpfchen
und
flattert
mit
den
Flügeln:
Weiß’
ich,
weiß’
ich
natürlich“,
piepst
sie
aufgeregt
drauflos,
„kann
ich
dir
zeigen,
kann
ich
zeigen!“
Darüber
freut
sich
der
Wandersmann,
denn
hier
in
der
Ebene
kennt
er
sich
gar
nicht
aus.
Alles
ist
ihm
fremd
und
weil
es
keine
Hügel
gibt,
auf
die
er
steigen
könnte,
kann
er
den
richtigen
Weg
nur
erahnen.
Also
fragt
er
die
kleine
Bachstelze,
ob
sie
ihm
den
Weg
erklären
könne,
worauf
der
Winzling
antwortet:
„Du
musst
den
Weg
wandern,
durch
sieben
Biegungen
musst
du
ziehen,
dahinter
an
sieben
Hinkelsteinen
vorbei
und
über
sieben
knorrige
Brücken
aus
Holz
musst
du
gehen.
Danach
wirst
du
den
Weiher
mit
sieben alten Weiden finden. Das ist dein Ziel.“ Rinderich bedankt sich und setzt nun seinen Weg frohen Mutes fort.
Es
geschieht
genau
so,
wie
es
die
Bachstelze
vorausgesagt
hat.
Der
Weg
windet
sich
in
sieben
Kurven
über
die
Ebene,
hinter
jeder
Biegung
steht
am
Feldrain
ein
Hinkelstein
aus
vergangenen
Zeiten.
Dann
folgt
jedes
Mal
ein
Bächlein,
über
das
eine
Brücke
aus
Holz
führt,
die
bei
jedem
Schritt
so
fürchterlich
knarrt,
dass
Rinderich
jedes
Mal
fürchtet,
sie
könnte
einstürzen.
Als
die
Sonne
direkt
über
ihm
strahlt,
hat
er
endlich
die
letzte
der
sieben
Brücken
überschritten
und
steht
nun
vor
einer
Senke.
In
der
Mitte
kann
er
die
knorrigen
Weiden
sehen,
die
einen
Kreis
bilden.
Genau
dort
sollte
sein
Bruder Borkerich zu finden sein, den er mit seiner Ankunft überraschen möchte.
Der
sitzt
am
Ufer
zwischen
Schilf
und
Steinen
und
schaut
verträumt
auf
die
glitzernde
Wasserfläche,
als
er
hinter
sich
ein
Geräusch
hört.
Er
dreht
sich
um
und
schaut
in
das
Gesicht
von
Rinderich,
seinem
Bruder:
„Holy
Moly,
ihr
alten
Weiden,
was
machst
du
denn
hier?
Gefällt
es
dir
im
Wald
nicht
mehr?“
Zwei
Wurzelmännchen
umarmen
sich
am
Weiher
und
ihr
Ebenbild
im
Wasser
spiegelt
die
Freude.
„So
eine
schöne
Überraschung,
dich
hier
zu
haben“,
schiebt
Borkerich
nach
und
setzt
sich
dann
mit
dem
Bruder
wieder
ans
Ufer.
Beide
schauen
hinaus
auf
den
See,
im
Schweigen
den
Augenblick
genießend.
„Ich
hätte
schon
viel
eher
einmal
hierher
kommen
sollen“,
unterbricht
Rinderich
bald
die
Stille,
„doch
nun
ist
ein
wichtiger
Grund
hinzu
gekommen
und
darüber
möchte
ich
mit
dir
sprechen.“
Borkerich
hört
aufmerksam
zu,
während
sein
Bruder
ihm
vom
Absterben
der
stolzen
Fichten
hoch
oben
im
Wald
berichtet.
Wie
es
langsam
kahl
wird
auf
den
Bergkuppen,
wie
die
trockenen
Nadeln
bei
jedem
neuen
Schritt
knistern
und
dass
er
fürchtet,
im
nächsten
heißen
und
trockenen
Sommer
könnte
es
zu
einem
gigantischen
Feuer
im
Wald
kommen:
„Alle
meine
Freunde
sind
in
Gefahr:
Pinselohr,
Glöckchen
und
Tröpfchen,
die
Biberfamilie
von
Nagobert,
Rehsi,
das
Reh,
Schnuffel,
das
Kaninchen,
Max,
der
Dachs,
die
große
Familie
Eber-Bache
und
all
die
anderen
Bewohner
des
Waldes.
Sogar
das
ferne
Blütenland
der
Bienen
könnte
davon
betroffen
sein.
Wir
brauchen
also
dringend
eine
Medizin
für
unseren Wald.“
Wieder
ist
es
still
am
Weiher.
Zwei
vom
langen
Leben
geprägte
Wurzelmännchen
lauschen
tief
in
sich
hinein,
lassen
ihren
Gedanken
freien
Lauf.
Die
Alten
und
Weisen
im
Blütenland
hatten
Glöckchen
und
Tröpfchen
den
Hinweis
gegeben,
dass
dem
Wald
die
Laubbäume
fehlen,
die
vor
langer
Zeit
den
Wald
mit
ihrem
dichten
Laubdach
schützten
und
den
Waldboden
länger
feucht
hielten
(
HIER
).
Fressraupen
mögen
keine
Blätter.
Wenn
Nadel-
und
Laubbäume
miteinander
wachsen
können,
hat
der
Wald
wieder
eine
Zukunft.
Auch
davon
erzählt
Rinderich
seinem
Bruder
am
Weiher
und
meint:
„Diese
Medizin,
die
wir
suchen,
das
sind
Samen
von
Laubbäumen
und
ich
hoffe,
Du
kannst
mir
bei
der
Suche
helfen.“
Bruder
Borkerich
hatte
aufmerksam
zugehört
und
nun
macht
er
einen
Vorschlag:
„Weißt
du,
ich
habe
rund
um
den
Weiher
viele
neue
Freunde
gewonnen.
Was
hältst
du
davon,
wenn
wir
sie
fragen,
ob
sie
euch
Waldbewohnern
mit
frischen
Samen
von
Eichen,
Eschen
und
Buchen
helfen
würden?“
An
so
eine
Idee
hatte
Rinderich
nicht
gedacht,
aber
er
freut
sich
darauf,
die
Freunde
seines
Bruders
kennenzulernen.
Sie
verbringen
den
restlichen
Tag
am
Ufer,
trinken
abends
gemeinsam
einen
Blütentee,
den
Rinderich
mitgebracht
hatte,
und
legen
sich
dann
müde
unter
den
knorrigen
Weiden zur Ruhe. Der helle runde Mond am Sternenhimmel wacht über ihren tiefen Schlaf.
Am
nächsten
Morgen
treffen
sich
alle
auf
dem
großen
Anger,
wo
die
Tiere
der
Ebene
meist
zu
finden
sind:
Mecky,
die
Ziege,
Harry,
der
Hahn,
Gagger,
die
Ente
sowie
Racker,
der
Dackel
und
Hackel
der
Specht
setzt
sich
auf
einen
Baumstumpf,
um
zuzuhören.
Sogar
Robert,
das
alte
Ross
von
der
Weide
nebenan,
gesellt
sich
dazu.
Sie
alle
unterbrechen
ihre
Suche
nach
Futter
und
hören
aufmerksam
zu,
als
Rinderich
sein
Anliegen
vorträgt.
Erst
ist
es
einen
Moment
still,
doch
Sekunden
später
beginnt
das
große
Gackern,
das
Schnattern
und
Gepiepse.
Ein
heilloses
Durcheinander
aller
nur
denkbaren
Laute:
„BrrrRuhe,
wollt’
ihr
wohl
BrrrRuhe
geben“,
übertönt
das
laute
Wiehern
von
Robert,
dem
Ross,
dieses
heillose
Durcheinander,
„brrrüllt
blos
nicht
alle
durcheinander!
Brrraucht
jemand
unsere
Hilfe,
machen
wir
mit.
Punkt
und
brrrschlossen!“
Jetzt
wird
das
Stimmengewirr
von
einem
zustimmenden
Gelächter
und
Jubel
abgelöst.
Manchmal,
so
die
Erfahrung
der
Alten,
muss
ein
Kluger
ein
Machtwort
sprechen,
um
die
Schwätzer
zu
übertönen.
Das
kluge
Ross
scharrt
mit
seinen
Hufen
und
schnauft:
„Wir
haben
jeder
Vorräte
zu
Hause
und
davon
können wir natürlich etwas abgeben, damit der große Wald auf den fernen Bergen wieder gesund wachsen kann.“
Über
das
Gesicht
von
Rinderich
zieht
sich
ein
feines,
glückliches
Lächeln.
Diese
wundervolle
Geste
hat
gerade
sein
Herz
erwärmt,
denn
er
weiß,
denen
im
Wald
wird
es
ebenso
ergehen.
Die
versammelten
Freunde
stehen
im
Halbkreis
und
mittendrin
das
kluge
alte
Ross:
„Brrrauchst
nichts
zu
sagen,
brrring’
einfach
die
Samen
in
den
Wald
und
grrrüße
von
uns.“
Mit
einem
dicken
Kloß
im
Hals
nickt
das
betagte
Wurzelmännchen.
Die
Freunde
aber
gehen,
einer
nach
dem
anderen,
zu
ihren
Vorratskammern,
um
Bucheckern,
Eicheln,
Kastanien,
Nüsse,
Kerne
und
viele
andere
Baumsamen
einzupacken,
damit
sie
mit
auf
die
Reise
in
die
Berge
gehen
können.
Schon
Minuten
später
ist
Stüps,
der
sture
Esel,
wieder
zurück:
„I
ab
mir
gi’dacht,
du
brauchst
i
anen
zum
Tragen.
I
ab
Lust,
i
ab
Erfahrung.
I’
trage
Säcke.“
Da
kullern
bei
Rinderich
die
lachenden
Freudentränen:
„Wenn
ich
groß
genug
wäre,
würde
ich
meine
Arme
um
deinen
Hals
legen,
doch
so
sage
ich
danke.“
Beide
schauen
sich
in
die
Augen
und
ahnen,
sie
werden
einen
langen
und
beschwerlichen,
aber
auch
glücklichen
Weg
zurück
durch
die
bunten
Felder,
hinauf
auf
die
Berge
und
den
Wald
haben.
Mit
vereinten
Anstrengungen
werden
sie
dem
Wald,
damit
sich
selbst,
ihren
Kindern
und
Enkeln,
eine
gesunde
Zukunft
sichern,
denn
sie
wissen,
den
Erfahrungen
der
Alten
und
Weisen
sowie
dem
Wissen
der
Bienen
kann
man
bedenkenlos
Vertrauen
schenken.