Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Venustransit 2012 06.06.2012 In den vergangenen Tagen ist es arschkalt geworden. Die Säule des Thermometers hatte sich im Stundentakt kopfüber von Bullenhitze auf ungemütlich kalt in die Tiefe gestürzt. Aufkommender Regen hatte sein übriges getan. Sonne am Himmel Fehlanzeige. In diese Stimmung hinein las ich die Nachricht, dass am Mittwochmorgen ein seltenes Himmelsschauspiel stattfinden wird. Mich hat schon als kleiner Junge interessiert, was „da oben“ alles geschieht. Schuld daran ist wieder mal mein Vater, der sich unter anderem für Astronomie begeisterte und deshalb seinem ersten Sohn in zweiter Ehe, also mir, als zweiten Vornamen Bruno, in Hommage an den Astronomen Bruno Bürgel, verpasste. Wir hatten schon in den 1950iger Jahren ein kleines Fernrohr zu Hause und jemand hatte meinem Vater (mit Schuhcreme!) ein Bild vom Saturn gemalt. Als 1956 der erste Sputnik um die Erde kreiste, hat er mich regelrecht verrückt gemacht, was zur Folge hatte, dass ich später all seine vielen Fantasie- und Zukunftsromane und Erzählungen las. Von „Signale vom Mond“ bis „Das Geheimnis der Phaetonen“ habe ich mich durch das Regal im Bücherschrank gelesen. Mein Vater wollte gern die totale Sonnefinsternis 1999 über Deutschland erleben, doch am 11. August im Jahre 1999 bin ich mit meiner Familie und ohne ihn nach Göppingen gefahren, um im Kernschatten stehend dabei zu sein. Mein Vater war schon 1991 an Krebs gestorben. Meine erste, aber leider nicht letzte Erfahrung mit diesem Gespenst. Daran dachte ich, als ich heute früh ganz zeitig aufstehe, um noch morgens vor 6.°° Uhr einen Blick auf die frühe Sonne zu werfen. In der Aufregung hab ich leider die Schutzbrille von 1999 nicht gefunden, aber das hätte mir auch nichts genutzt. Ich klettere also an der Leiter hinauf auf das Flachdach unseres Hauses. Dort oben angekommen, steht die morgendliche Sonne schon über den Häusern und strahlte gleißend hell durch die Bäume hindurch, die mir einen freien Blick verwehren. Keine einzige Wolke am Himmel, so als hätte es dieses Mistwetter der letzten Tage nicht gegeben. Mein alter Herr wäre heute 85 und vielleicht, aber nur vielleicht, nicht mehr die senkrechte Stahlleiter hinauf gekrochen. Da stehe ich also gegen 6.°° Uhr da oben allein und glotzte die aufgehende Sonne an. Mein Nachbar denkt wahrscheinlich, ich bin scharf auf einen Blick in sein Wohn- oder gar sein Schlafzimmer und die paar anderen, die mich vielleicht sehen, denken sich ohnehin schon lange ihren Teil, wenn sie mich erblicken: Okay, jetzt klettert der also auch noch frühmorgens auf’s Dach hinauf! Ich stelle mir vor, was sich da gerade in der leeren Weite zwischen Sonne und Erde abspielt. Wie die Venus „ganz nah“ vor der Sonne vorüber zieht und dabei die Erde in ihrer Umlaufbahn überholt und den gleichen Vorgang erst wieder in 105 Jahren schaffen wird. Dann wäre ich schon 167 Jahre alt und mindestens blind. Vielleicht gibt es da irgendwo zwischen unserer Milchstraße und dem Andromedanebel, die beide in reichlich 4 Milliarden (!) Jahren ineinander kollidieren werden, eine Zivilisation, die weiter mit ihrer Moral und ihren Idealen gekommen ist, als wir es jemals schaffen werden. Es wäre schön zu wissen, dass Intelligenz ausschließlich dem Leben, dem Fortschritt und dem Wohlergehen einer Gemeinschaft dienen kann und sich und seine Lebensumwelt nicht zerstören muss, um sich an ihrer Machtgeilheit zu ergötzen. Dort würde ich gern noch einmal leben wollen und dann zusehen, wie irgendwann die liebe Sonne, dann als roter Riese, die kleine schöne Erde mit ihren machtwütigen Menschen aufsaugen und verbrennen wird. Es wäre schön, wenn Leben irgendwo überleben würde und die Sonne jeden Morgen über friedliebenden Menschen in den Himmel aufsteigen könnte. Es wäre schon, zu wissen, dass wir nicht allein sind und dass es also Alternativen gibt. Alternativen mit Vernunft, wo dieses Wort noch in seiner ursprünglichen Bedeutung gilt. Ich bin mopsmunter heute Morgen auf dem Dach, aber für ein paar Sekunden ist mir diese Idee, und die Vision davon, durch den Kopf geschossen. Alles sah so früh noch so friedlich und unschuldig aus, ehe ich die Leiter wieder hinab steigen und die Zeitung aus dem Briefkasten nehmen würde, um darin den nächsten Irrsinn dieser Welt lesen zu müssen. Aus der Traum, nur Zeit und Raum rasen weiter!