Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Skulpturen an der Route 101 04.07.2013 Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen. Wenn einer keine Reise macht und einfach zu Hause bleibt, kann er auch was erzählen. Der die große Reise gemacht hat, womöglich über den großen Teich in das Land der unbegrenzten Weiten, der erzählt von seinem Flug über das größte und tiefste Tal der Welt. Vom Grand Canyon oder von einem Besuch der Niagara - Fälle oder einem Blick von der Plattform auf die Gischt. Manch einer berichtet, mit vom Stolz geschwellter Brust, davon, wie er mit einer alten und gemieteten Harley die berühmte Route 66, quer durch die USA, bereiste. Wenn einer, so ein Typ wie ich, keine Reise macht, sondern nur in das nächste kleine Städtchen fährt, dann erzählt er eben von dem, was an dem ostdeutschen Pendant, der „Route 101“, erlebt. Wer jedoch meint, dass dies wahrscheinlich eine Reportage der gähnenden Langeweile entlang der Bundesstraße 101 wird, der sollte jetzt einfach wieder in seine Glotze schauen. Die ostdeutsche Straßenlegende, die Route 101, schneidet nämlich von West oder Ost kommend, mein verschlafenes Heimatstädtchen Elsterwerda. Wenn ich zur Autobahn 13 will, fahre ich von hier aus Richtung Ost, der Morgensonne entgegen, und wenn ich mit Lily zum Hundefriseur möchte, dann starte ich in die andere Richtung, der Abendsonne entgegen, auch wenn es erst früher Vormittag ist. Da lasse ich mir von denen in Brüssel nichts vorschreiben und die Morgen- oder Abendsonne auch nicht, auch wenn die Beamten in Brüssel vielleicht Lust dazu hätte. Mein Blechfreund biegt also nach links auf die Einhunderteins und dann geht es immer der Nase nach. Die Sonne habe ich im Rückspiegel, denn ist es Vormittag. Wir rollen auf der Bundesstraße durch den Wald und die kleine Lily liegt brav auf dem Beifahrersitz. Wenn sich vor uns der Wald lichtet, kann man die ehemalige Kreisstadt Bad Liebenwerda sehen. Am Waldrand, dort wo es rechts nach Dobra geht, befindet sich eine Tankstelle und genau gegenüber steht auf einem kleinen Hügel eine Figur aus Holz und blickt dorthin, wo ich die Lily bringe, um ihr das dichte Fell schneiden zu lassen. Während der kleine Wautsch von flinken Händen verwöhnt, gewaschen, frisiert und getrocknet wird, begebe ich mich zurück zum Standort der Holzfigur an der Bundesstraße 101. Dobra ist eines der vielen kleinen Dörfer, die sich im Süden Brandenburgs in die ausgedehnten Wälder schmiegen und ringsum von ihnen umgeben sind. Die „Route 101“ führt ein paar hundert Meter daran vorbei und nur, wenn man auf die Bremse geht und sich getraut abzubiegen, entdeckt man die vielen kleinen versteckten Details, wie das große aus Holz gesägte Schild im Ortskern unter dem Blätterdach eines alten Baumes. Der Blick auf das verzierte Holz lässt den Besucher staunen und macht neugierig, wie das grobe Holzwunder entstanden sein mag. Wer sich von seinem Spürsinn oder der Neugier leiten lässt, entdeckt außerdem am Ortsrand ein Schild, das auf eine Western-Bar am Rande von Südbrandenburg verweist. Plötzlich steht der Sucher am Rande einer großen Wiese vor einem gewaltigen Tor, das von indianischen Totem-Pfählen links und rechts flankiert ist willkommen in der Western-Bar von Dobra. Als ich vor dem Tor stehe, ist der Zugang zum Anwesen verschlossen, denn es ist vormittags und wer hat und darf, geht einer Arbeit nach. Ich begebe mich auf meine weitere Suche nach verwandelten Holzresten und fahre deshalb zurück zum Ausgangspunkt. Direkt zwischen der Bundestrasse und dem Waldrand befindet sich die Tankstelle. Gegenüber, auf einem kleinen aufgeschütteten Hügel, steht die Holzfigur. Sieht aus, als wolle der Mann von den letzten Ausläufern des Fläming in die Weiten des Urstromtales der „Schwarzen Elster“ und darüber hinaus bis zur Elbe schauen. Dafür allerdings musste er sich wohl erst den Blick frei machen und vielleicht ist diese Holzfigur, mit einer Motorsäge auf den Boden gestemmt und einer zweiten, kleineren, die hoch erhoben in den Himmel zeigt, eine Hommage an jene Menschen, die hier einst vor hunderten Jahren siedelten und sich zu diesem Zweck den Wald urbar machen mussten. Vielleicht aber soll die Statute einfach nur darauf aufmerksam machen, dass hier jemand Kunst mit einer Motorsäge in der Hand fabriziert. Rings um die aufrecht stehende Figur sind nämlich noch mehr Hinweise auf künstlerisches Tun zu entdecken. Die Figuren stecken im Material, sind dort schon von Beginn des Wachstums drin. Die Idee des Künstlers ist eine Schöpfung der Natur, der Künstler lässt sie nur frei, gibt ihr eine für uns sichtbare Gestalt, damit wir sie als Betrachter auch entdecken können. Wenn man den riesigen Klumpen Holz betrachtet, der dort frei herum liegt, dann kann man sich gut vorstellen, wie daraus etwas wird, das wir später als überdimensionales Zweirad oder einen Pilz erkennen. Auf dem Gelände stehen zwei riesige Baumstümpfe, die sich wie zwei Säulen mit ihren struweligen Köpfen der Sonne entgegen in den Himmel stemmen, als wollten sie ihn stützen. Dabei entstehen skurrile Schattengebilde in der inzwischen hoch stehenden Sonne. Der Platz strahlt einen besonderen Hauch von Mystik aus, die außergewöhnlicher und nicht alltäglicher Kunst eigen ist. Warum eigentlich bin ich hier stets vorüber gefahren, statt anzuhalten? Als ich mich wieder mit meinem Blechfreund aufmache, meine Lily abzuholen, nehme ich mir vor, hier bald wieder einen Halt einzulegen. Dann passe ich nämlich auf, ob der Künstler vielleicht anwesend und am Werkeln unter dem kleinen Unterstand, ist. Dann würde ich ihm gern beim Formen und Entdecken eine Weile zusehen, denke ich mir, während ich auf dem Rückweg, nun ein drittes Mal, an der Stelle nahe meiner „Route 101“, vorüber düse. Ob die Urlauber in den fernen USA dort auch einen Kettensägenkünstler zu sehen bekommen, einen mit Bart? Und dann überlege ich, ob es eigentlich Indianer mit einem Bart gibt. Es scheint ganz so, als müsste man dafür aus den USA hierher nach Dobra kommen und ich verspreche jedem Amerikaner, wenn er eine Reise macht hier kann er auch etwas erleben und sehen. Er muss nicht einmal nach Dresden oder Berlin. Der Wald im Süden von Brandenburg hält auch einige Überraschungen bereit.