Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Am Heideturm im Land Brandenburg 25.03.2014 Manchmal werde ich gefragt, wo ich denn zu Hause wäre und dann antworte ich meistens mit dem Namen meiner Heimatstadt: Elsterwerda. Da kann es schon einmal vorkommen, dass mir als Reaktion mit einem Schulterzucken geantwortet wird. Damit können viele nichts anfangen und dann sage ich meist: Lausitz oder Schraden und dann schwarze Elster. Der Schraden ist eigentlich nichts anderes als eine Auenlandschaft, links und rechts eines kleinen Flusses, der Schwarzen Elster. In dem Urstromtal, zwischen zwei kleinen Bergrücken eingeklemmt, sah es einst so aus wie heute im Spreewald, wild und wunderschön. Mitten in dieser Senke bin ich zu Hause, hier habe ich meine Jugend und anschließend den überwiegenden Teil meines Lebens verbracht. Vielleicht auch deshalb, weil es hier fast so schön ist, wie in der Lüneburger Heide, in der Börde oder in der Altmark. Irgendwann erkannte ich, dass es auch rings um den eigenen Hof sehr schöne Winkel zu entdecken gibt, wenn man bereit ist, genauer hinzusehen. Das habe ich gemacht, habe Wiesen, Wälder und Hügel besucht und entdeckt. Manchmal zu Fuß, manchmal wieder mit dem Fahrrad und einige Male auch zufällig, statt geplant. Einer dieser besonderen Flecken ist der höchste Punkt im Land Brandenburg und wie es der Zufall so eingerichtet hat, fand das die moderne Messtechnik erst im Jahre 2000 heraus. Ich kann den Buckel sogar sehen, wenn ich mir selbst auf’s Dach steige und von da nach Süden schaue. Dann sehe ich den Höhenzug der Schradenberge und ganz oben ragt ein kleiner Punkt über die Baumspitzen hinaus. Das ist der Heideturm in der Nähe von Gröden. Man erblickt ihn, wenn man sich Elsterwerda von Norden über die B101 nähert, aber auch dann, wenn man von Süden über Großenhain auf der Bundesstraße 169 in das schöne Brandenburg einreist. Seine wirkliche Größe aber kann man erst bestaunen, wenn man sich die Mühe macht, ihn mitten im dichten Wald, auf der Heidehöhe nahe Gröden, exakt 201,4 Meter über dem Meeresspiel, zu besuchen. Auf dieser Anhöhe stand schon früher ein Aussichtsturm, der aber Wind und Wetter nicht standhalten konnte oder wollte. Seit August 2009 steht nun an der gleichen Stelle ein massiver Aussichtsturm aus Holz mit einer Höhe von 30 Metern. Damit ragt er ein gutes Stück über die Baumwipfel hinaus und der Blick rundum, von der überdachten Plattform in luftiger Höhe, ist in alle Richtungen frei. Man sagt, bei gutem Wetter könne man das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und die Höhen des Zittauer Gebirges sehen. Man muss sich nur die Mühe machen, zum Turm zu wandern und ihn, Stufe für Stufe bis nach oben, zu besteigen. Viele, die hier wohnen, nutzen den Radweg von Elsterwerda bis Gröden querfeldein, um dem Turm einen Besuch abzustatten. Am Rande der Stadt verlässt man mit dem Fahrrad die B 169 an der Ecke mit der ehemaligen Gaststätte „Zur Weintraube“ in Krauschütz. Der Weg führt in die Felder, an einem Objekt namens „Weiße Scheune“ vorbei, wo man nach Süden in Richtung Gröden weiter radelt. Man überquert die Pulsnitz, ein Flüsschen, das den Schraden feucht hält, und erlebt, wie der Höhenzug langsam Konturen annimmt. Nach einer halben Stunde hat man Gröden erreicht. Im Ort sucht man am besten den Sportplatz, stellt die Räder an der Sportlerklause ab und läuft die restliche Strecke bis zum Turm durch den Wald, wofür man noch einmal eine weitere gute Stunde benötigt. Auch mit dem Fahrrad kann man dorthin strampeln, allerdings würde ich mir diese Schinderei bis zum Gipfel nicht antun. Hier sollte Zeit keine Rolle spielen, wenn man nicht gerade auf sportliche Höchstleistungen aus ist. Zu Fuß bis nach oben zu laufen, ist die erholsamere Variante, wenn Zeit nebensächlich sowie der Weg durch die Natur das Ziel ist. Diese Wanderung kann ich nur empfehlen, denn ich bin den Weg durch den Wald bei Gröden bis hoch zum Turm und entlang der Grenze zu Sachsen wieder zurück, bereits gegangen. Es ist wie Wandern im Mittelgebirge, fern vom Verkehr und weit weg vom Lärm der Städte. Einfach nur hohe Bäume, die entlang an holprigen Wegen stehen und den Wanderer langsam immer höher geleiten, während die Wipfel im Wind dazu leise rauschen. Wer will, kann hier seinen Gedanken Raum und Zeit schenken und in die Tiefe des Waldes hinein staunen, aus der sich nach einer guten Stunde das Holzgerüst des Turmes herausschält. Dann ist man endlich auf dem „Höhepunkt von Brandenburg“ angelangt und dennoch versperren hohe Bäume auf dem Plateau die Sicht. Es hilft alles nichts, wer sehen will, muss steigen. Ich habe die Anzahl der Stufen nicht gezählt, aber nach jeweils drei Treppen erreicht man eine neue Ebene, beinahe wie mit einer Play-Station. Nur hier im Turm muss man jede weitere Stufe mit einem Schritt und nicht durch einen Fingerdruck am Joy-Stick erobern. Es geht nur mit eigener Muskelkraft und eigener Überwindung aufwärts, Stufe für Stufe, Etage für Etage. Jedes Mal ein Stück höher und jedes Mal für einen anderen Blick. Erst führt er die Augen noch an nackten Stämmen vorbei in den Wald, ein weitere Ebene höher wähnt man sich in den Baumkronen und dann auf Level 9 endlich ist der Blick frei und die Umgebung scheinbar endlos. Kein Baum, nichts mehr, das den Blick versperrt. Nur noch Luft, Wind und Wetter Freiheit und Rundblick. Da stehe ich nun endlich ganz oben und traue mich doch nur vorsichtig bis vor an den Rand, über den die Augen tief nach unten schauen. Meine Fresse, ist das aber hoch! Das Gefühl, jetzt einfach wie ein Vogel die Flügel auszubreiten und sich in die Lüfte zu schwingen, verdränge ich ganz schnell wieder. Nur weg vom Rand und mit dem Rücken an das Holz. Erst einmal einen Moment lang diese unheimliche Weite bestaunen und die Augen über all die vielen Gipfel der Bäume schweifen lassen. Über mehrere hundert Meter hinweg nichts als Bäume, nur ein Wipfel am nächsten, bis alles weit hinten nur noch eine grüne Fläche ist. Dahinter, irgendwo in der Ferne, da mündet das Grün in Felder und Wiesen, in denen kleine Ortschaften wie eingebuddelt liegen. Darüber hängen an diesem Tag graue dunkle Wolken. Ich sehe, wie sie ihre nasse Last über dem Land und über den Dörfern ausschütten. In der Ferne sehe ich den hohen Schornstein von Thiendorf mit seiner langen weißen Zipfelmütze aus Dampf und Rauch. Weiter nördlich, an der unsichtbaren A 13 entlang, kann ich auch die Fahnen des Kraftwerkes Boxberg erkennen und ich, das erwachsene Menschlein, stehe hier oben in luftiger Höhe, auf dem höchsten Punkt Brandenburgs und staune wie ein kleines Kind. In Richtung Norden sehe ich meine Heimatstadt Elsterwerda in der Senke des alten Urstromtales, auf dessen gegenüber liegenden Seite sich die Ausläufer des Fläming erheben. Hier vermitteln einem die Augen wirklich die Illusion, man könne sich über die Baumriesen bis hinunter in das Tal über die Stadt erheben und darüber hinweg gleiten. Der Traum vom Fliegen ist hier oben, mitten in der Natur, zum Greifen nah. Bis zum Völkerschlachtdenkmal müsste man 80 Kilometer auf Schwingen gleiten, doch heute ist das Bauwerk nicht einmal zu sehen. Zu tief hängen die schweren Wolken über der Ebene. Torgau und Riesa kann ich nur erahnen und Großenhain schimmert nur schwach durch den Dunst. Irgendwo dahinter liegt Dresden und die Bergrücken sind nur noch ein dunkler Strich am Horizont. Anderes Wetter und die Weitsicht wäre traumhaft und perfekt, denke ich mir, und dann begebe ich mich von Etage 9 wieder langsam nach unten auf den Boden der Tatsachen. Das komische Kribbeln im Bauch lasse ich oben und das Gefühl, abheben zu wollen, auch. An diesem frischen Sonntagnachmittag im März ist weit und breit kein Wanderer oder Besucher am Turm zu entdecken. Eine Bratwurst vom Holzkohlerost sowie ein frisches Bierchen wären jetzt das berühmte Sahnehäubchen oben drauf. Nach dessen Genuss würde man sich wieder in den Sattel schwingen und, entlang der Grenzen zu Sachsen, über den Asphaltweg nach unten rollen, den Wald hinter sich lassen, Gröden durchqueren und an Feldern, Wiesen und Gräben vorbei nach Hause radeln, nach Elsterwerda. Sehr viel anders würde man das im Land Thüringen, auf Usedom oder im Harzvorland auch nicht machen. Eigentlich ist es gar nicht so wichtig, wo oder wie man aus dem Gleichmaß, in das wir uns zwängen lassen, ausbricht. Mir scheint, schön ist es dort, wo und wenn mein Gefühl mir sagt: „Genau hier!“. Dann ist überall ein Höhepunkt, ganz egal ob nun in Brandenburg oder irgendwo anders.