Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Geschenk von Ursel
01.11.2020
In
diesem
Jahr
kriecht
der
Frost
schon
im
Spätherbst
durch
die
Wälder.
Bunte
Blätter
zieren
noch
viele
Bäume
und
saftige
Früchte
wollen
sich
noch
nicht
von
den
Ästen
lösen.
Plötzlich
sind
die
Vorboten
des
Winters
da,
haben
noch
vor
dem
Schnee
den
Wald
in
Starre
versetzt.
Wenn
jetzt
Schnee
käme,
würde
er
überall
auch
liegen
bleiben.
Luchs
Pinselohr
treibt
es
hinaus,
um
zu
schauen,
wie
diese
frühe
Kälte
dem
Wald
bekommt.
Auf
Samtpfoten
schleicht
der
weise
Wächter
lautlos
über
Wiesen,
Schneisen
und
durch
das
Unterholz.
Nur
ab
und
zu
bricht
ein
gefrorener
morscher
Ast,
der
in
seinen
Pfad
hinein
ragt.
Trotz
der
frühen
Kälte
plätschern
kleine
Rinnsale
sprudelnd
von
den
Bergen
herunter.
Pinselohr
beugt
sich
gerade,
um
zu
trinken,
als
er
zögert:
„Nanu“,
brummelt
er
in
seine
grauen
Barthaare,
„was
ist
das
für
ein
feiner
und
leckerer
Duft?“
Pinselohr
setzt
sich
auf
sein
Hinterteil,
weil
er
sich
so
besser
stützen
kann,
und
dann
streckt
er
seinen
Körper
weit
nach
oben,
reckt
seinen
Kopf
und
schnuppert:
So
einen
Duft
kenne
ich
nicht“,
setzt
er
sein
Selbstgespräch
fort,
„aber
ich
muss
wissen,
was
das
ist.“
Der
Duft
scheint
von
unten
den
Hang
hinauf
zu
ziehen,
also
folgt
der
weise
Luchs
dem
Lauf
des
Rinnsals
hinab
in
der
Hoffnung,
bald
des
Rätsels
Lösung
und
die
Ursache
dieses
verführerischen Duftes am Vormittag zu finden.
Bald
schon
schimmert
es
heller
durch
die
dicht
stehenden
Baumstämme.
Pinselohr
verlässt
den
Schutz
des
Waldes
und
steht
am
Rande
einer
kleinen
Lichtung.
Was
er
dort
sieht,
verschlägt
ihm
erst
einmal
die
Sprache
und
dann:
„Ursel,
du
listige
Fuchsdame“,
ruft
er
erstaunt,
„was
hältst
du
zwischen
deinen
Zähnen?
Das
duftet
ja
unwiderstehlich
durch
den
ganzen
Wald!“
Ursel,
die
betagte
Fuchsdame,
gehört
wie
Reinecke,
der
schlaue
Fuchs,
auch,
zu
einem
alten
Fuchsgeschlecht,
das
im
Wald
große
Achtung
genießt.
Ursel
ist
schon
sehr
alt,
aber
die
listigste
und
klügste
in
ihrer
Familie.
Sie
tritt
zwei
Schritte
zurück,
legt
das
Etwas
zwischen
ihre
Vorderpfoten,
ehe
sie
dem
weisen
Pinselohr
antwortet:
„Das
ist
mein
zweites
Frühstück,
liebes
Pinselöhrchen,
und
das
habe
ich
bei
den
fremden
Zweibeinern
drüben
gefunden.“
„Komm,
komm
du
willst
mir
doch
nicht
etwa
erzählen,
dass
du
diese
Delikatesse
gefunden
hast“,
grinst
Pinselohr
die
Fuchsdame
frech
an,
„du
meinst
doch
sicher
weggefunden,
oder?“
Da
muss
dann
auch
Ursel
lächeln:
„Es
ist
eine
lange
Tradition
in
unserer
Familie,
solche
Happen
zu
finden.
Das
ist
unsere
Berufung.“
Das
längliche
Fleischstückchen
legt
sie
sich
zwischen
die
Vorderpfoten,
beißt
ein
Stück
ab
und
kaut
genüsslich,
während
Pinselohr
sich
beherrschen
muss.
Schritt
für
Schritt
tastet
er
sich
bis
zur
Füchsin
vor
und
starrt
mit
gierigen
Augen
auf
den
Leckerbissen
am
Boden.
„Da
nimm’
es
dir
schon“,
lacht
Ursel
nun,
„und
lass’
dir
das
Geschenk
von
mir
schmecken.“
Das
lässt
sich
Pinselohr
nicht
zwei
Mal
sagen.
Er
schnappt
sich
den
Happen
und
schon
ist
er
in
seinem
Rachen
verschwunden.
Ursel,
die
listige
Fuchsdame,
freut
sich
und
sie
lacht.
Sie
sind
zwar
befreundet,
aber
so
eine
Situation
könnte
auch
anders
ausgehen,
weiß
sie
aus
Erfahrung,
doch
mit
einem
kleinen
Geschenk
und
etwas
Entgegenkommen,
löst
eine
listiger
Fuchsdame
solche
Situationen
souverän
und
friedlich.
Außerdem
kann
sie
zu
jeder
Zeit
ein
neues
Leckerstück finden. Sie allein kennt den geheimen Ort.
Mit
der
unverhofft
frischen
Mahlzeit
im
Magen
und
nunmehr
auch
guter
Laune,
verabschiedet
er
sich
bei
Ursel.
Er
leckt
sich
den
Nachgeschmack
zufrieden
aus
den
Borsten
und
begibt
sich
immer
tiefer
in
den
Wald
hinein,
zum
See:
„Mal
schauen,
wie
die
Biberfamilie
mit
dem
Kälteeinbruch
zurecht
kommt“,
sagt
er
sich
selbst,
„und
wie
sie
auf
den
Winter
vorbereitet
sind.“
Immerhin
weiß
er,
dass
der
Biber
zu
gerne
ein
Schläfchen
zur
Mittagszeit
pflegt
und
erst
danach
wieder aktiv wird. Pinselohr kann sich also Zeit lassen und sich an der neuen Schönheit gefrorener Natur erfreuen.
Zum
Mittagessen
hatte
es
Kräuterklöße
gegeben
sowie
einen
Salat
aus
feinen
Gräsern
darüber.
Nach
dem
Rauchen
seiner
alten
Pfeife,
die
schon
sein
Großvater
benutzte,
hatte
sich
Nagobert,
der
Biber,
für
ein
Stündchen
im
Schaukelstuhl
zurückgelehnt
und
ein
Nickerchen
genossenen.
Nagelinde
hält
von
solchen
Gewohnheiten
nichts,
sie
widmet
sich
lieber
ihrer
Handarbeit,
dem
Gräserflechten.
An
jedem
Sonntag
machen
sie
es
so.
Als
Nagobert
mit
Schlummern
fertig
ist,
seine
Augen
öffnet
und
die
Ohren
aufrichtet,
meint
er,
dass
irgendetwas
anders
ist.
Etwas
fehlt,
sagt
ihm
sein
Gefühl.
„Nagelinde,
hey
du,
merkst
du
das
auch?“,
ruft
er
in
die
Biberburg
hinein,
„da
ist
was.“
Nagelinde
steht
mürrisch
auf.
Sie
lässt
sich
nur
ungern
beim
Flechten
unterbrechen.
„Was
soll
sein“,
fragt
sie
nur
nebenbei,
„
nichts
kann
ich
hören.“
Sie
dreht
sich
um
und
will
wieder
gehen,
als
Nagobert
flüstert:
„Eben,
da
ist
nichts,
sollte
aber
sein.“
Beide
schauen
sich
an,
schütteln
die
Köpfe
und
gehen,
als
hätten
sie
sich
gerade
abgesprochen,
gemeinsam
zum
Burgloch,
um
nach
draußen
abzutauchen.
Ein
leises
Klatschen
und
schon
sind
sie
im
Wassertunnel,
der
hinaus
in
den
See führt, verschwunden.
Beim
Auftauchen
spürt
Nagobert
einen
Widerstand,
als
läge
eine
dünne
Haut
auf
dem
Wasser.
Neben
ihm
hebt
Nagelinde
ihren
Kopf
heraus.
Dabei
entsteht
ein
knirschendes
Geräusch.
Beide
schauen
sich
an
und
dann
sehen
sie,
über
die
gesamte
Seefläche
wurde
eine
dünne
Eisschicht
ausgebreitet,
drüber
liegt
ein
frostiger
Hauch
von
Stille.
Nagobert
schaut
zurück
zur
Biberburg,
zum
Bächlein,
das
den
See
speist.
„Wasserfall
und
Strudelloch,
da
habe
ich
wohl
vergessen,
das
Wasserrad
zu
schützen“,
meckert
er
vor
sich
hin,
„und
nun
ist
es
festgefroren.
Kein
Wunder,
dass
ich
nichts
gehört
habe.“
Die
beiden
Biber
tauchen
zurück.
Dort
besteigen
sie
die
Biberburg,
um
nachzusehen,
womit
die
nächsten
Stunden
ausgefüllt
sein
werden.
„Alles
in
Ordnung“,
informiert
Nagobert
seine
Frau,
„nur
das
Mühlrad
steckt
im Eis fest, ist eingefroren.“ Und dann muss er über seine eigene Nachlässigkeit laut lachen.
„Was
gibt
es
zu
lachen,
mein
Freund“,
schallt
es
vom
nahen
Waldrand
herüber.
Ziemlich
erschrocken
schaut
sich
der
alte
Biber
um.
Vom
Waldrand
blickt
Pinselohr,
der
weise
Luchs,
herüber
und
schreitet
gemächlich
auf
die
Biberburg
am
Ufer
zu.
Sein
warmer
Atem
gefriert
in
der
kalten
Waldluft
und
bleibt
in
kleinen
Wolken
schwebend
hinter
ihm
zurück.
„Zum
Mittagessen
kommst
du
zu
spät“,
ruft
Nagobert
ihm
entgegen,
„ich
muss
gerade
über
ein
kleines
Missgeschick
lachen.
Was
führt
dich
hierher
zu
uns?“
Der
weise
Luchs
ist
nun
nahe
der
Biberburg:
„Die
Pflicht,
mein
Lieber“,
lächelte
er,
„und
die
Neugier,
wie
weit
ihr
mit
den
Vorbereitungen
auf
den
Winter
seid.“
Nagobert
führt
Pinselohr
zum
Mühlrad
am
Ufer
und
zeigt
ihm
das
kleine
Missgeschick.
„Jetzt
kannst
du
auch
mal
lachen“,
meint
Nagobert,
„habe
ich
doch
tatsächlich
verpennt,
das
Mühlrad
zu
sichern.
Nun
ist
es
fest.“
Pinselohr
betrachtet
sich
das
Mühlrad
von
allen
Seiten
ganz
genau,
rüttelt
ein
wenig
mit
den
Vorderpfoten
und
meint:
„Also,
wenn
Du
einverstanden
bist,
packe
ich
das
Rad
einfach
an
und
hebe
es
vorsichtig
heraus.“
Während
Biber
Nagobert
noch
etwas
zögert,
packt
der
kräftige
Luchs
das
Rad
mit
beiden
Pfoten,
rüttelt
es
und
hebt
es
dann
einfach
hoch.
Augenblicke
später
liegt
es
schon
im
Moos
neben
dem
Bach.
„Wasserfall
und
Strudelloch“,
staunt
Nagobert
nun
schon
zum
zweiten
Mal,
„das
ging
ja
fix.
Danke,
es
ist
schön,
wenn
man
einen
kräftigen
Freund
hat.“
Pinselohr
ist
stolz
auf
sein
Werk,
gibt
dem
Biber
einen
Klaps
auf
das
Hinterteil,
so
das
der
mit
Schwung
noch
ein
wenig
über
das
dünne
Eis
gleitet
und
im
Wasser
landet:
„Mühlrad
gerettet,
Biber
gewaschen“,
grinst
der
Luchs
fröhlich
und
verabschiedet
sich
vom
See.
Schon
nach
wenigen
Schritten
ist
er
dem
Waldrand nahe. Über dem See aber breitet sich wieder Stille aus.
Von
den
beiden
völlig
unbemerkt,
hatte
vom
Waldrand
her
Spuhsi
das
Geschehen
zufällig
beobachtet.
Der
kleine
Waldkobold
durchstreift
oft
den
Wald
auf
der
Suche
nach
Moos,
mit
dem
er
die
Spalten
am
Haus
abdichtet.
Es
soll
im
Winter
keine
kalte
Zugluft
eindringen
können.
Der
Sammelbeutel
ist
schon
gut
gefüllt,
Zeit
für
eine
Pause.
Dabei
erlebt
er,
was
am
See
unten
gerade
geschieht
und
wie
Pinselohr
zurück
zum
Waldrand
kommt:
„Den
weisen
Pinselohr
ich
grüße“,
Spuhsi
winkt
dem
Luchs
zu,
„ich
dich
begleiten
ein
Stück
darf?
Der
Weise
vergnügt
sich
noch
mit
der
Erinnerung
an
den
Klaps
und
wie
der
Biber
in
den
See
schlitterte.
„Kannst
du
gern
machen,
Kleiner“,
lächelt
er
freundlich
und
schon
tippelt
Spuhsi
schnellen
Schrittes
neben
dem
gemächlich
wandernden
Luchs
einher.
Bald
gelangen
sie wieder zu der Waldlichtung, wo Pinselohr auf die schlaue Füchsin Ursel traf.
„Hier
habe
ich
von
Ursel,
der
listigen
Fuchsdame,
ein
seltenes
Stück
Fleisch
bekommen“,
berichtet
er
sichtlich
stolz
dem
kleinen
Waldkobold,
„das
hatte
sie
sich
wahrscheinlich
vorher
irgendwo
gemopst.“
„Nee,
nee,
weiß
besser
ich“,
plapperte
Spuhsi
munter
drauflos,
„das
bekommt
fast
jeden
Tag
sie
von
denen,
die
Menschen
nennen
sich.
Habe
schon
oft
selbst
ich
gesehen.
Die
nennen
Wurst
das
oder
so.“
Pinselohr
bleibt
ruckartig
stehen,
schaut
Spuhsi
an
und
schüttelt
sich
ungläubig.
„Du
willst
mich
wohl
nicht
auf
deinen
Arm
nehmen,
kleiner
Wicht“,
knurrt
Pinselohr
überrascht,
„so
etwas
müsste
ich
wohl
längst
wissen.“
Spuhsi
kriecht
in
sich
zusammen,
senkt
den
Kopf
und
schielt
aber
mit
den
Augen
nach
oben
zum
weisen
Luchs:
„Ich
aber
doch
es
weiß
schon.
Ursel
macht
oft
das.“
Pinselohr
wiegt
seinen
Kopf
hin
und
her
und
muss
dann
aber
doch
über
den
Waldkobold
lachen.
„Dann
hättest
du
mir
schon
eher
davon
erzählen
können
und
ich
wäre
schon
eher
zu
so
einer,
wie
sagst
du,
Wurst
gekommen“,
lacht
nun
Pinselohr
laut
in
den
Wald,
„die
Ursel
ist doch eine listige Füchsin, gar keine Frage!“ Spuhsi nickt wissend und Pinselohr staunt unbemerkt in sich hinein.
Beide
laufen
noch
eine
Weile
wortlos
nebeneinander
durch
den
Wald,
in
das
Dämmerlicht
des
Abends
hinein.
Oben
an
der
Kreuzung
trennen
sie
sich.
Den
weisen
Luchs
zieht
es
in
das
dichte
Unterholz,
bis
zum
Felsen,
wo
seine
warme
Höhle
ist.
Spuhsi
aber
wendet
sich
in
die
andere
Richtung,
hinüber
zum
steilen
Hang
am
Tal,
wo
die
mächtige
Randfichte
sein
kleines
Waldhäuschen
verdeckt.
Wenn
es
später
wieder
kalt
wird
und
in
der
Nacht
Sterne
am
Himmel
funkeln,
kriechen
viele
schöne
Träume
aus
dem
dichten
Unterholz.
Alle
Waldbewohner
bekommen
wieder
Besuch
von
ihnen.
Im
tiefen
Schlaf,
in
ihren
Mooskuschelbetten
und
Laubschlafkissen,
träumen
Pinselohr
und
Spuhsi
von
einer
leckeren
Wurst,
die
sie
von
Ursel,
der
listigen
Füchsin,
als
Geschenk
erhalten
werden.
Die
Füchsin
aber
träumt
von
ihrem menschlichen Freund, der stets eine Wurst als Geschenk für sie bereit hält.
Nachtrag:
Die
Füchsin
Ursel
gibt
es
wirklich.
Sie
lebt
am
Bahnhof
Schierke,
wo
ich
sie
im
August
2015
sah
und
fotografierte. Man erzählt sich hier außerdem Geschichten vom Brockenfuchs, den ich leider noch nie zu Gesicht bekam.