Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Bernd Rumo - „Ein Stückchen Himmel“
(im Kunsthof Gohlis)
30.06.2018
Neulich
geschah
es,
denn
neulich
war
ich
zum
Wandern
oben
im
Harz.
Den
Duft
vom
Wald
wollte
ich
einatmen
und
„Ein
Stückchen
Himmel“
über
mir
sehen.
Beim
Laufen
geht
mir
ein
altes
Volkslied
durch
den
Kopf
und
ich
summe
die
Melodie
„Hu
hu
da
schaut
eine
alte
Hexe
raus“.
Plötzlich
steht
eine
Hexe
neben
mir.
Sie
flüstert
mir
was
von
„Ein
Stückchen
Himmel“
ins
Ohr
und
wie
es
um
den
Kunsthof
im
Dresdner
Stadtteil
Cossebaude
steht,
nämlich
schlecht.
Sehr
schlecht,
um
genau
zu
sein.
Also
bietet
mir
die
Hexe
an,
mich
auf
dem
Doppelsitzerbesen
zum
Kunsthofgohlis
zu
bringen,
damit
beim
Konzert
zur
CD-Premiere
von
„Ein
Stückchen
Himmel“
auch
ein
Cover-Fotoknipser
im
Publikum
sitzen
könne.
Das
Angebot
konnte
ich
nicht
ausschlagen
und
deshalb
„fliege“
ich
gerade
mit
Hexengeschwindigkeit
über
die
Piste
in
Richtung
Dresden.
Vorbei
an
„Bernd
seiner
Burg“,
an
„Halle-Lujah“
sowie
„Laiptzsch“
und
dem
„Nonssensdreieck“,
bis
sich
endlich
das
„Tal
der
Ahnungslosen“
vor
mir
ausbreitet.
Unten
an
der
Elbe,
die
in
Cossebaude
durch
eine
hohe
Mauer
vor
viel
Straßenlärm
geschützt
ist,
entsteige
ich
dem
Besentaxi
und
entfalte
mein
Zelt.
Hier
werde
ich
nach
dem
Singen unter „Ein Stückchen Himmel“ ruhen bis der Morgen über dem Elbetal erwacht.
BERND
RUMP
ist
etwas
älter
als
ich.
Ich
rechne
zurück
und
lande
bei
den
Liedern
der
Singebewegung,
mitten
in
der
alten
DDR,
und
beim
„Knüpflied
auf
eine
Unruhestifterin“,
bei
König
und
Demmler
sowie
irgendwann
auch
bei
Gruppe
SCHICHT.
Das
ist
„verdammt
lang
her“,
denke
ich,
und,
dass
der
Andert,
Demmler,
Gundermann
oder
Magister
auch
in
unserer
„STUBE“
in
Elsterwerda
sangen.
Mir
fallen
auch
die
Namen
einiger
Künstlern
ein,
die
dem
Oktoberklub
entsprangen:
Danz,
Thalheim,
Jürgen
Walter
(alias
Pippig),
Gina
Pietsch,
die
Brechtinterpretin,
und
Renè
Büttner,
der
Amiga-Oligarch.
Während
ich
Andert,
Demmler,
Gundermann
oder
die
Danz
live
erleben
durfte,
gewährte
mir
das
Leben
nicht,
ein
Konzert
mit
BERND
RUMP
&
SCHICHT
zu
DDR-Zeiten
zu
sehen.
Erst
im
Mai
2013,
in
genau
diesem
Kunsthofgohlis
sowie
gemeinsam
mit
ISOLDE
LOMMATZSCH,
eine
der
WunderbunTden,
hatte
ich
das
Vergnügen,
Altmeister
RUMP
zu
sehen.
Die
beiden
begeisterten
mich,
sie
erreichten
mein
Herz
und
Hirn
zugleich.
Sie
sangen
beide
von
Zuständen,
die
ich
ebenso
empfand,
aber
niemals
so
vortrefflich
hätte
beschreiben
können:
„Wie
meine
Mutter
schon
sagte“.
Beide
nahmen
mich
hier
inhaltlich
in
ihre
Arme,
zum
gemeinsamen
Träumen
und
zum
Nachdenken.
Das
sind
genau
die
Gründe,
weshalb
es
die
Brockenhexe
so
leicht
hatte,
mich
zu
überzeugen
und
nun
bin
ich
hier.
Ich
stehe
vor
diesem
Tor
zum
Refugium,
das
es
in
wenigen
Tagen
nicht
mehr
geben
wird,
weil
es
einer,
und
die
Möglichkeiten
der
Kapitalistengesellschaft,
so
wollen.
Privatbesitz
und
Geldgier
–
„ist
nun
mal
so“
wird
BERND
RUMP
ganz
am
Ende
dieses
Abends tröstend singen. Realität, aber trotzdem Scheiße!
Eigentlich
hatte
ich
ja
gehofft,
mehr
bekannte
Gesichter
zu
treffen,
doch
auch
diesbezüglich
sind
wohl
die
Zeiten
nicht
auf
dem
Fleck
haften
geblieben.
Individuali-,
Digitali-
und
Kommerzialisierung
geben
uns
die
Möglichkeiten
in
die
Hand
und
wir
legen
dafür
zeitweilige
zweckdienliche
Gemeinschaften
auf
die
Seite.
Einfach
so
und
auch
ich
mache
das,
folge
meinen
eigenen
Intentionen.
Dafür
habe
ich
gar
ein
Zimmer
mit
Bett
gebucht.
Vorher
ein
Gang
zur
Elbe
und
dann
werde
ich
von
den
beiden
Künstlern
des
Abends
herzlich
begrüßt.
Ich
umarme
lang
nicht
gesehene
Bekannte
und
mit
einem
Bierglas
in
der
Hand
setze
ich
mich
in
die
Kunsthofgohlis-Runde
unter
dem
Blätterdach.
Man
lässt
es
ruhig
angehen,
man
kennt
sich
und
hat
sich
aber
mitunter
schon
Jahre
nicht
gesehen.
Selbst
die
vier
Katzen
nutzen
diese
Zeitspanne schamlos zum Kuscheln aus.
Irgendwann
nach
Acht
stehen
sie
dann
auf
der
Bühne.
SOLDI
und
BERND
eröffnen
diesen
Abend
mit
dem
„Lebenslied“,
das
Bernd
Rump
und
Jürgen
Magister
einst
für
das
Schicht-Theater
schrieben
und
gleich
zu
Beginn
schließt
sich
für
mich
der Kreis:
„Tausend Jahre dauert zwar die Schlacht, doch so haltbar seid ihr nicht gemacht, …
… von der Erde müsst ihr wieder gehn, ihr ward da und das war gut und schön.“
Jetzt
hat
der
Abend
fast
eine
zweite
Überschrift
und
ich
Gänsehaut,
als
gleich
danach
„Ein
Stückchen
Himmel“
angestimmt
wird.
BERND
steht
auf
diesem
Podest
in
seiner
unnachahmlichen
Art,
die
eine
Hand
entweder
in
seiner
Hosen-
bzw.
Jackentasche
oder
mit
beiden
die
Inhalte
energisch
im
Raum
gestikulierend
unterstreichend.
Seine
Stimme
ist
kräftig,
zuweilen
auch
richtig
zornig,
aber
meist
doch
nachdenklich
und
irgendwie
auch
glücklich.
Ein
Lächeln
verziert
sein
Gesicht.
Noch
einmal
hat
der
vielseitige
Künstler
eine
Auswahl
von
Liedern
auf
eine
CD
gebracht,
wider
das
Vergessen, und trägt sie uns heute vor, während sich draußen der Sonnenuntergang langsam breit macht.
Ich
mag
es,
diese
eingängigen
Melodien,
nur
von
SOLDI
auf
dem
Piano
begleitet,
zu
hören.
Ich
liebe
es,
wenn
dieser
scheinbar
kantige
Typ
sie
vorträgt
und
dabei
mit
ihnen
verschmilzt.
Es
fühlt
sich
wie
Begleiten
meiner
eigenen
Gedanken
an,
wenn
er
das
„Siebenlied“
singt.
Der
kann
einem
aber
auch
fest
in
die
Magengrube
schlagen,
wenn
er
zu
traurigen
Klavierakkorden
die
Geschichte
eines
Waisen-
und
Heimkindes
erzählt,
seine
eigene
Herkunft
in
„Als
das
Kind
geboren
war“
beschreibend,
von
Heim
zu
Heim
gezerrt
und
dann
doch
ein
Zuhause
gefunden
und
ich
meine,
seine
Stimme
zittern
zu
hören.
Oder
zu
knackigen
Piano-Stakkato
ein
Auto
mit
„Blaulicht“
vor
die
Tür
eines
Alkoholikers
fahren
lässt:
„Wenn
er
nicht
mehr
will,
dann
findet
es
statt“.
Das
ist
fast
wie
ein
Aufschrei,
der
einem
sogar
beim
Zuhören
in
der
Magengrube
schmerzt.
Die
böse
Welt
von
heute,
möchte
man
fast
denken.
Verfasst
wurden
die
Zeilen
jedoch
bereits
im
Jahre
1978,
wenn
auch
mit
einem
anderen
Hintergrund.
Heute
thematisieren
sie
„nur“
eine
andere
Wahrheit.
Gute
Kunst
ist
eben
doch
nicht
an
irgendwelche
Zeiten
gebunden,
sie
rüttelt
und
sie
bewegt
auch
(früher
oder)
später,
aber dieses Phänomen kennen wir ja auch von Gundermann.
Jedem
seiner
Lieder
möchte
ich
ein
Lobeslied
schreiben.
Wahllos
könnte
ich
das
„Liedl“,
seine
„Späte
Liebe“
oder
die
wunderbare
„Amerika-Ballade“
herausgreifen
und
ins
Schwärmen
geraten.
Es
tut
mir
einfach
nur
gut,
wie
bei
diesem
schönen
„Siebenlied“,
das
beide
im
Duett
vortragen.
Er
bringt
uns
das
Lied
vom
Zauber
der
„Lorely“,
ein
typisches
Rump-Werk,
mit
einer
eingängig
schönen
folksliednahen
Melodie
und
dann
kommt
er
mit
diesem
Resümee
um
die
Ecke:
„
…
ich
bliebe
ein
Jüngling
und
würde
nie
Mann,
so
bin
ich
doch
lieber
ertrunken.“
Es
sage
keiner,
er
hätte
nicht
auch
so
ertrinken wollen!
Das
„Hundelied“
kann
einen
vom
Hund
geliebten
Menschen
nicht
unberührt
lassen:
„Du
hast
dich
auf
mich
eingelassen“
und
erst
recht
nicht
sein
Hohelied
des
Theatermannes
auf
seine
Neuberin
„Carolin,
Carolin“.
Da
sitze
ich
vor
der
Kante
und
im
Bauch
rumort
es,
die
Augen
werden
feucht,
weil
jedes
der
Worte
ganz
zielsicher
trifft:
„Jeder
Friedhof
ist
still,
alle
Blätter
sind
grün“
und
„die
Obrigkeit
tut,
was
Obrigkeit
tut“.
Ganz
sicher
ist
diese
Ballade
eines
seiner
schönsten
Lieder
und
wenn
man
mich
nach
dem
fragen
würde,
was
mich
am
meisten
berührt,
dann
würde
ich
„Da
war
ein
Land“
antworten,
das
zu
schreiben
hätte
sich
Gundi
auch
gewünscht:
„Goodbye,
goodbye
Madlen,
ich
hab’
tausend
Sommer
und
Winter
gesehn,
vorüber
gehn“.
Als
es
erklingt,
rutsche
ich
in
mich
zusammen,
schau’
auf
meine
Füße
und
versuche
die
Tränen
vieler
Erinnerungen
und
schöner
Erlebnisse
zu
unterdrücken,
denn:
„Das
Land
kannst
du
vergessen!
Ich
hab’
es
nie
besessen!
Doch
den
Traum.
Kaum.“
Meine
68
Jahre
Leben
fanden
zur
Hälfte
dort
statt.
Eltern,
Kindheit,
Schule,
Lieben und ein Riesenbatzen Musik. Doch Leben will ich jetzt, heute und hier!
In
der
Pause
wünsche
ich
mir
mein
Lieblingslied,
aber
es
steht
ohnehin
auf
dem
„Spielplan“.
Spät
am
Abend
wirft
er
diese
Zeilen
in
den
Raum
und
mir
steigt
das
Grinsen
ins
Gesicht.
Vor
mir
sehe
ich
die
Gesichter
meiner
Eltern,
das
Grinsen meines Vaters, das er mir vererbt hat und der im Text Platzhalter der Mutter sein wird, wenn BERND singt:
„Wie
meine
Mutter
schon
sagte,
in
hundert
Jahren
ist
alles
vorbei.
Da
kracht
der
Mond
auf
die
Erde
und
die
ganz
hohen
Viecher
sind
Brei.
–
Wie
mein
Vater
schon
sagte,
die
Weiber
sind
am
schönsten
im
Mai.
Auch
ich
war
mal
schön,
hätt’ste
mich sollen sehn – in hundert Jahren ist alles vorbei.“
Als
ich
die
Zeit
schon
nicht
mehr
fühle,
sie
mir
heute
auch
völlig
egal
ist,
ertönt
„Kling
Klang“
und
kein
Gedanke
an
keimende
Zeiten.
Im
Augenblick
gärt
und
brodelt
es
wohl
eher,
aber
von
einem
Aufbruch
zu
neuen
Ufern
sind
wir
noch
weit
entfernt.
Rockmusik
ist
kaum
noch
dreckig
oder
kantig,
Pop-Musik
nur
noch
„schön“
(glatt),
was
mit
Ästhetik
nichts
zu
tun
hat.
Die
Beliebig-
und
Austauschbarkeit
jubelt
und
jeder
darf
singen
oder
rappen,
was
immer
ihm
volltrunken
durch
die
Birne
rammelt.
Bitte
gerne
auch
Blödsinn
und
aufgemotzt
in
riesigen
Arenen,
so
wie
es
die
Römer
im
Colosseum
zu
tun
pflegten.
Gebt
dem
Volk
Spiele
und
Fußball,
während
Seehofer
seinen
Dickkopf
pflegt!
Freiheit
heißt
inzwischen
auch
nur,
dass
ich
sagen
und
schreiben
kann
was
ich
will.
Freiheit
heißt
nicht,
ICH
darf
jetzt
auch
was
zum
Besseren
(für
alle)
verändern.
Jedenfalls
nicht
so
gravierend,
dass
„der
Mond
auf
die
Erde
kracht
und
die
ganz
hohen
Viecher
zu
Brei“
werden.
Trump
spielt
sich
selbst,
Putin
mit
Russland
und
alle
auf
einmal
mit
dem
Nahen
Osten
und
in
Europa
jeder
für
sich.
Da
braucht
es
eben
Künstler
wie
Rump
und
„Ein
Stückchen
Himmel“,
um
sich
orientieren
zu
können.
Am
Ende
des
Abends
bekommen
BERND
und
ISOLDE
viel
Beifall
und
zwei
Kisten
Gemüse,
Früchte
der
Erde
sozusagen.
Es
ist
ein
zutiefst
berührender
Augenblick,
denn
alle
im
Raum
wissen,
wie
Zukunft
hier
aussehen
wird
und
dann
geht
BERND RUMP zum Piano, drückt selbst die Tasten und endet mit:
„War es zu früh, war es zu spät, ist nun mal so, dass die Erde sich dreht,
ist nun mal so, dass die Erde sich dreht, ist nicht zu früh, ist nicht zu spät …“ (Einmal in 1000 Jahren)
Dieses
deutsche
Land
hat
nicht
so
viele
Künstler
vom
Schlage
eines
Gundermann,
eines
Reiser
oder
einer
Danz
zu
bieten.
Diese
drei
sind
leider
nicht
mehr
unter
uns,
doch
die
verbliebene
Seilschaft,
die
kleine
Gemeinschaft
Gundi-
Besessener
und
ein
Haufen
WunderbunTder
Scherben
bemühen
sich
um
das
Erbe
der
Toten.
Irgendwann
werdet
ihr
und
andere
vielleicht
merken,
dass
die
Lieder
von
RUMP,
sein
nicht
stromlinienförmiger
Lebensgang,
eine
ähnliche
Wirkung
entfalten
können.
Seine
Lieder
sind
aus
der
gleichen
Sprache
gestanzt,
wie
die
des
Baggerfahrers
aus
der
Lausitz.
Wollen
wir
erst
später
beginnen,
zu
pflegen,
wie
wir
es
mit
Gundi
&
Co.
inzwischen
tun?
Wollen
wir
wirklich
noch
so
lange
warten?
Dieser
„Rump(el)Dicher“
lebt
mitten
unter
uns
und
hat
gerade
noch
einmal
seine
Lieder
für
uns
konserviert
und
ein
kleines
Stückchen
vom
Himmel
ist
dabei
entstanden.
In
manchen
Momenten
dieses
Abends
habe
ich
mir
wirklich
gewünscht,
auch
einmal
solche
Lieder
schreiben
zu
können,
die
andere
dauerhaft
berühren.
Doch
vorerst
habe
ich
die
Seinen
mitgenommen
plus
einige
sehr
seltene
Papierrelikte
aus
der
Schichtzeit.
Bis
zum
richtigen
Zeitpunkt
werde
ich
Hüter
dieses
Schätzleins
(und
einiger
anderer)
sein:
„Kling,
klang,
kling,
klang,
das
ist
mein
erster
und
letzter
Gesang.“