Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Entdeckungen, Wanderungen, Erlebnissen und Begegnungen im Harz.
Waschtag mit Familie Amsel 26.06.2013 Alles beginnt damit, dass ich an diesem Tag große Wäsche habe. Okay, werden viele der Damen jetzt denken, das ist jetzt aber wirklich herausragend und vor allem der Erwähnung wert. Aber zu jener Zeit bin ich allein, sprich Strohwitwer, und als solcher mache ich meine Klamotten natürlich auch weiterhin schmutzig. Die mich kennen, ich meine gut kennen, die wissen, dass Wäsche waschen für mich etwa so ist, wie Spülmaschine ein- oder ausräumen. Nichts von Belang. Ich kenne das, ich kann das und ich mache es gern, weil ich ein alter moderner Hausmann bin. Wenn es denn bei der Aktion Waschtag überhaupt etwas gibt, dass man erwähnen muss, dann vielleicht die seltene Tatsache, dass bei mir die Wäscheklammern passend zum Wäschestück ausgesucht werden und also auch ein Paar von gleicher Farbe, bei einem Wäschestück, auf der Leine stecken müssen. Da bin ich ganz und gar ein „Künstler“, denn es muss mir auch gefallen, wenn alles dort im Winde flattert. Die T-Shirts nebeneinander, auch die Hemden, meine Socken ebenfalls und so bekommt bei mir das Gesamtbild einen stilvollen sowie ästhetischen Rahmen. Ich bin Künstler, Wäschekünstler und bei meinen Gestaltungen ziemlich eigen. Der Wäscheplatz zum Aufhängen befindet sich zwischen Garage und Garten. Beide sind durch einen Höhenunterschied, es mag ein guter Meter sein, voneinander getrennt. Die Rückwand der Garage ist mit einem Geflecht von alten Weinreben überwuchert und wenn der Wein beginnt, Blätter zu treiben, kann man die Wand dahinter kaum noch entdecken. Das ist jedes Jahr ein wunderschöner Anblick und im Spätsommer, wenn die Ranken immer länger wachsen, erobern sie sich auch die Wäscheleinen und legen sich darüber. Meinen Wäschekorb stelle ich immer auf die Bank vor dem Wein, damit ich mich nicht so tief bücken muss. Bewegung ja, aber bitte nicht so tief nach unten. Dann nehme ich mir ein T-Shirt, zwei gleich farbige Klammern und bestücke so die Wäscheleine. Ich bücke mich zum nächsten Teil und plötzlich flattert über meinem Kopf etwas. Ein Blick nach oben nichts. Noch einmal und diesmal schaue ich genauer hin und dann entdecke ich das Nest, das kunstvoll in den Verästelungen der Zweige versteckt ist. Nun regt sich die Neugier in mir. Ich steige auf die Bank und sehe, im Nest sitzt ein dunkler Vogel und sieht mich ängstlich an. Es ist eine Amsel, glaube ich, die sich dort, geschützt vor der Sonne und neugierigen Blicken, ihr Nest gebaut hat. Sie sieht mich mit ihren Kulleraugen an. Eigentlich müsste sie, denke ich mir, auf und davon flattern. Es muss einen Grund geben, dass sie es nicht tut und den würde ich gern entdecken. Die Natur gibt ihre Geheimnisse nicht freiwillig und auch nicht sofort preis. Es sind Geduld und viel Einfühlungsvermögen gefragt und so hänge ich erst einmal in aller Ruhe meine Wäsche auf die Leine und freue mich, wie schön sortiert sie anzusehen ist. Eine tolle Performance! Als ich zufrieden und ein wenig stolz den Wäscheplatz wieder verlasse, sitzt die Amsel noch immer in ihrem Nest, getarnt vom Blätterwerk ringsum. Nur wenige Minuten später aber bin ich wieder dort, um dem Vogel im Gestrüpp ein Foto abzuluchsen. Die Amsel ist so nett und lässt mich still gewähren und ich verspreche ihr, ein ernstes Wort mit Nachbars Katze zu wechseln, denn die hatte ich am frühen Morgen auf dem Dach der Garage gesichtet. Da wusste ich von dem Nest an der Wand noch nichts. Bei der Katze bin ich mir nichts so sicher. Von diesem Tag an schenke ich meine Aufmerksamkeit immer öfter meiner Amsel, die geduldig immer noch in ihrem Nestversteck sitzt. Es ist auf seltsame Wese ein berauschendes Gefühl, einem scheuen Vogel so nahe zu kommen, ohne dass der ängstlich Reißaus nimmt. Das hat vermutlich auch einen ganz bestimmten Grund und ich will jetzt die Chance abwarten, diesen Grund zu entdecken. Im Stillen bitte ich die Amsel um ihr Einverständnis und als sie dann eines Nachmittags gerade nicht zu Hause in ihrem Nest sitzt, ist der Augenblick gekommen. Vorsichtig steige ich wieder auf die Bank und halte meinen kleinen Knipser ganz nah und von oben an das Nest heran. Es macht mehrmals klick und ich steige wieder herab. Schon beim ersten Blick auf die kleine Mattscheibe entdecke ich das Wunder: Im Nest liegen fünf kleine grüne Eier mit dunklen Punkten. Meine Amselmama ist also am Brüten und verschwindet wahrscheinlich nur, um sich auf die Schnelle selbst zu versorgen. Immer wieder mal bin ich in den folgenden Tagen am Nest, auch wenn ich mal keinen Waschtag habe. Inzwischen glaube ich, dass sie mich jetzt schon ganz gut kennt und mich deshalb so nah kommen lässt. Sie sitzt dort und immer wenn ich mich vorsichtig nähere, schaut sie mich zwar an, aber nie habe ich den Eindruck, sie könnte ängstlich sein. Was mag in so einem kleinen Amselhirn wohl vor sich gehen? Eines Tages, es mögen vielleicht zwei Wochen vergangen sein, komme ich wieder zum morgendlichen Besuch am Nest. Sie ist nicht da und das kommt mir ungewohnt vor. Also riskiere ich einen Blick und hole meine Knipse, um den Augenblick zu dokumentieren. Statt der fünf kleinen grünen Eier liegen nun fünf kleine, nackige Dinger im Nest. Eng aneinander geschmiegt, die Augen noch zu und ihre Schnäbel sind zu erkennen. Wenn es so etwas wie ein Wunder gibt, dann dies, wie Leben entsteht, Geburt und Werden. Nennt es von mir aus Schöpfung oder schlicht und einfach Natur, das Staunen ist das gleiche. Zart, zerbrechlich, klein, hilflos und Schutz suchend da sind alle Lebewesen gleich. Sah ich Frau Amsel bisher meist in ihrem Nest hocken und brüten, so kann ich sie jetzt immer öfter dabei beobachten, wie sie früh, vormittags, mittags oder auch abends über die Wiese hüpft, um dort nach Käfern und Würmern zu suchen. Immer, wenn ich mal dort unterwegs bin und die Knipse nicht dabei habe, kommt Mutter Amsel mir quasi ein wenig keck vor die Füße gehüpft. Manchmal hat sie auch etwas in ihrem Schnabel und manchmal sucht sie noch danach. Dabei erlebe ich, wie Mutter Amsel zum Nest fliegt und sich fünf Schnäbel nach oben recken, in die sie etwas hinein stopft. Die für mich wirklich größte Überraschung allerdings ist die Tatsache, dass dies alles völlig lautlos vonstatten geht. Kein Piepsen, kein einziges lautes hungriges Geräusch, nichts. Alles geschieht lautlos. Meist kommt sogar die Amsel ganz leise geflattert und schlüpft durch das schützende Blätterdach zu ihren Kleinen. Eine fantastische Erfahrung und so ein schönes Erlebnis. Die zunächst noch kleinen und nackigen Vögelchen im Nest wachsen schnell, stelle ich erstaunt fest. Um das zu beobachten, gehe ich jeden Tag zum Wäscheplatz, stelle mich auf die Bank und riskiere von da einen schnellen Blick. Jedes Mal meine ich, eine andere Veränderung zu entdecken. Zunächst noch sind die Kleinen nackig, dann beginnt ihnen ein flaumiges Kleid zu wachsen, aus dem ziemlich schnell ein dunkles wird. Schon wenige Tage später kann ich beobachten, wie daraus Federn werden und aus den kleinen Dingern kleine schwarze Piepmätze, die dicht aneinander gekuschelt in ihrem Nest liegen. Inzwischen sind sie so groß, dass ich fürchte, sie werden sich bald gegenseitig aus dem sicheren Versteck drängeln. Doch an Regentagen liegen sie sogar noch enger beieinander und an den Federn, die ihnen inzwischen gewachsen sind, perlt das Regenwasser ab. Zwei Tage hat es ununterbrochen geregnet. Im Nest ist ein einziger molliger Federball zu sehen, so dicht aneinander gedrängt hocken sie alle da drin. Doch als der Regen dann aufhört, sehe ich von meinem Fenster aus, wie Mutter Amsel von der Dachkante auf ihr Nest, das sich unterhalb der Kante befindet, herab schaut. Dabei gibt sie laute Piepstöne von sich und das ist nun wirklich absolut neu. Ich ahne, was da gerade geschehen mag, nehme meine Knipse und gehe zum Wäscheplatz. In diesen Minuten werde ich doch tatsächlich Zeuge der ersten Flugversuche meiner Amselkücken. Mutter Amsel sitzt immer noch da oben und scheint ihre Kleinen aus dem Nest locken zu wollen. Ich komme gerade noch rechtzeitig, wie zwei der Kleinen von da oben einen sanften Abflug Richtung Wiese machen und dabei noch recht unsanft landen. Das eine nahe der hohen Tanne und das andere an der Mauer, die hier oben nur einige Zentimeter hoch ist. Glück gehabt, denke ich, denn sonst wäre die junge Amsel eine Etage tiefer gelandet und für die Alten kaum noch zu sehen. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Da hocken die beiden Kleinen keine zwei Meter entfernt vor mir im Gras und lassen sich in aller Ruhe knipsen, ehe sie flatternd im nahen Gebüsch entschwinden. Weg sind sie. Noch einmal steige ich auf die Bank und blicke in das nun leere Nest und mir wird bewusst, dass ich ganz zufällig den Start der Kleinen in ihr wirkliches Leben beobachten durfte. Auf der anderen Seite sitzt die Amselmutter noch einen Moment im Geäst einer Konifere, wo ich sie auch noch mit dem Knipser erwischen darf. Doch dann fliegt auch sie davon Richtung Garten, wo die hohe Bäume stehen. Die Kleinen sind sicher hier irgendwo in der Nähe und auf irgend eine Weise, da bin ich mir sicher, werden sie sich bei den Alten bemerkbar machen, um dann wieder in Familie vereint zu sein. Ich habe keine Ahnung, was Amseln gewöhnt sind und wie sich normalerweise ihr Weg in ein Vogelleben gestaltet. Ich weiß nur, dass ich die Chance hatte, den ganzen Juni hindurch Einblicke in ihr Vogelleben zu bekommen. Morgen wird Siebenschläfertag sein und ich hoffe, er wird schön. Macht’s gut, alle Fünfe und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja wieder. Entweder im Winter am Futterhäuschen oder im kommenden Juni, wenn ich wieder einmal Wäsche aufhänge.